Kolumne Euroschau EZB macht sich zur Bad Bank
Die Europäische Zentralbank hat mit dem Kauf griechischer Staatsanleihen gegen die eigenen Statuten verstoßen. Die kaum noch vermeidbare Umschuldung des Landes wird die EZB hart treffen. Für die Verluste muss hauptsächlich Deutschland aufkommen.
Von Klaus-Rainer Jackisch, HR
Es war das mediale Fisako des Jean-Claude Juncker: Im Funzellicht, irgendwo im Dunkeln Luxemburgs, völlig improvisiert und laienhaft - so berichtete der Eurogruppen-Chef in einer kühlen Nacht Anfang Mai Journalisten über eine geheime Konferenz, die es eigentlich gar nicht gab. Mehrfach hatten er und seine Mitarbeiter das Spitzentreffen zur Lösung der Schuldenproblematik in Griechenland dementiert. Als die Lüge nicht mehr zu vertuschen war, blamierten er und die gesamte Europäische Union sich bis auf die Knochen.
Zuvor waren auf dem Treffen im Luxemburger Schloss Senningen die Fetzen geflogen. Denn als Juncker seine Idee einer Umschuldung Griechenlands auftischte, platzte dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, der Kragen. Er stand auf und verließ den Raum - völlig ungewöhnlich für den sonst so beherrschten EZB-Chef.
EZB hält griechische Staatsanleihen in Milliardenhöhe
Die Währungshüter im Eurotower in Frankfurt am Main haben Staatsanleihen aus Griechenland im Wert von geschätzten fünfzig Milliarden Euro in den Tresoren. Ein Teilausfall dieser Forderungen könnte schnell die Rücklagen der Zentralbank schmelzen lassen, auf jeden Fall ihren Gewinn schmälern. Vielleicht müssten sogar Goldreserven verscherbelt werden.
So wehrte sich die Europäische Zentralbank erst mit Händen und Füßen gegen die Umschuldung Griechenlands. Ihr Chefvolkswirt Jürgen Stark nennt Umschuldung ein "Rezept für eine Katastrophe". EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi tat die Idee als ein "Märchen" ab. Und der Luxemburger Zentralbank-Chef Yves Mersch, Mitglied des EZB-Rates, sieht darin schlicht "keine Option".
Der EZB geht es dabei nicht in erster Linie ums Geld. Sie fürchtet einen Flächenbrand. Denn wenn erst einmal Griechenland umschuldet, gibt es kein Halten mehr: Portugal, Italien, Belgien, sie alle würden folgen. Doch nach Presseberichten sagte EZB-Präsident Trichet dann Anfang dieser Woche in Kanada, private Gläubiger sollten sich doch an den Folgen der Schuldenkrise beteiligen. Das kann nur heißen, dass Privatbanken für Griechenland bluten sollen - als Teil einer Umschuldung, an der dann auch öffentliche Gläubiger wie die EZB nicht vorbeikommen!
EZB hat Tabu gebrochen
Die EZB hat sich selbst in die fatale Lage gebracht: Auf Druck der französischen Regierung knickte Trichet vergangenes Jahr ein und drückte den Kauf griechischer Staatsanleihen gegen zum Teil heftigen Widerstand im EZB-Rat durch. Damit verspielte die EZB nicht nur einen Teil ihrer politischen Unabhängigkeit. Sie verstieß auch gegen ihre eigenen Statuten. Denn für die Bank ist es ein Tabu, Staatsanleihen aufkaufen. Außerdem setzte sich der Franzose Trichet dem Vorwurf aus, er stütze vor allem französische Großbanken. Die haben nämlich besonders viele griechische Anleihen und konnten die nun günstig bei der EZB los werden. Die einst so stolze Zentralbank verramschte sich selbst zur Bad Bank - was für ein Niedergang!
Jetzt ist das Drama perfekt. Wegen der prekären Lage steht Griechenland kurz vor dem Staatsbankrott: Es wird wohl nicht um eine Umschuldung herumkommen - auch wenn die Euroländer weitere Rettungspakete auf den Weg bringen.
Deutschland muss zahlen
Die EZB ist also in großer Not. Im schlimmsten Fall verliert sie einen Teil ihrer Rücklagen. Diese Verluste müssen dann die solideren Eurostaaten ausgleichen. Vor allem wird es Deutschland treffen. Für deutsche Steuerzahler ist es unter dem Strich egal, wie sie Griechenland unterstützen - über die Einlagen bei der EZB oder durch direkte Finanzhilfen an Griechenland. Gezahlt werden muss sowieso. Aber für die EZB bedeutet die Misere einen weiteren massiven Image- und Vertrauensverlust. Und damit untergräbt sie auch das Vertrauen in den Euro.
Es wäre so einfach gewesen: Die Währungshüter hätten sich nur an ihre selbst gesetzten Regeln halten müssen. Vielleicht lernen die Damen und Herren im Eurotower aus ihrer selbst verschuldeten misslichen Lage. Aufsicht, Kontrolle, Vertrauen - all das braucht verlässliche Regeln und Leute, die sie befolgen und durchsetzen. Das ist nicht durch blumige Appelle wie den von Trichet beim Empfang des Karlspreises vergangene Woche zu ersetzen.
Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.