EU-Gipfel zur Vorbereitung des G20-Treffens Einigung angesichts der Krise?
Die 27 EU-Regierungschefs suchen nach gemeinsamen Rezepten gegen die schwere Wirtschaftskrise. Am 2. April wollen sie beim G20-Gipfel geschlossen auftreten. Keine leichte Sache: Denn die Frage weiterer Konjunkturprogramme ist umstritten. In Brüssel wollen sie's nun richten.
Die EU-Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder wollen bei ihrem Frühjahrsgipfel in Brüssel über das weitere Vorgehen im Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise beraten. Große neue Konjunkturpakete werden sie voraussichtlich nicht anschieben. Darüber herrscht Einigkeit. Doch Zwist ist vorhersehbar bei der Debatte über einen Vorschlag des EU-Kommissionspräsidenten.
Skepsis gegenüber Barrosos Vorschlag
Das EU-weite Fünf-Milliarden-Programm zur Förderung von Energie- und Breitbandnetzen stößt nicht überall auf Gegenliebe. Die EU-Kommission will damit rasch die Konjunktur ankurbeln. 3,9 Milliarden Euro sollen in den Ausbau neuer Energieverbindungen gesteckt werden. Der Rest soll in die ländliche Entwicklung oder den Ausbau des Breitbandnetzes für schnelles Internet fließen.
Deutschland und andere EU-Länder lehnen den Vorschlag ab, weil es sich um Geld handelt, das bisher in keinem Haushalt eingeplant und aus den nationalen Budgets zugeschossen werden müsste. Zudem ließen die Projekte keine raschen Aufträge für Unternehmen erwarten.
Dafür fordert die Bundesregierung, dass die Wettbewerbsregeln für Breitband-Anbieter wie die Deutsche Telekom gelockert werden. Derzeit verhandeln die EU-Mitgliedstaaten über einen neuen Rechtsrahmen für den europäischen Telekomsektor. Industrievertreter fordern, dass Unternehmen, die in neue Netze investieren, diese eine Zeitlang nicht für andere Diensteanbieter öffnen müssen. Die EU-Kommission sieht darin den freien Wettbewerb behindert.
José Manuel Barroso ließ sich durch die kritischen Stimmen und Forderungen nicht irritieren. "Ich bin optimistisch, dass wir das Paket beschließen", sagte der EU-Kommissionspräsident trotzdem voller Zuversicht.
Wirkung der laufenden Programme abwarten
Hoffnung auf Einigung ist bei der generellen Haltung der EU-Regierungschefs berechtigt: Die EU will offenbar keine neuen Konjunkturprogramme ins Auge fassen. Die bisher beschlossenen Maßnahmen hätten bereits einen Umfang von 400 Milliarden Euro, erklärten der tschechische Ministerpräsident und EU-Ratschef Mirek Topolanek sowie Kommissionspräsident Barroso. Mehr sei zur Unterstützung der Wirtschaft zurzeit nicht notwendig.
Viele nationale Programme steckten noch mitten in der Umsetzung, sagte Topolanek. "Wir wissen noch nicht, wie diese wirken. Deshalb hat es keinen Sinn, neue Konjunkturpakete einzuführen." Damit wiesen er und Barroso Rufe nach weiteren Programmen zurück.
Die US-Regierung hatte die EU zu stärkeren Anstrengungen aufgerufen. Ihre staatlichen Programme umfassen 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Barroso sagte, Europa müsse sich nicht schämen für das, was es auf die Beine gestellt habe. Einschließlich der Sozialleistungen belaufe sich der staatliche Impuls für die Wirtschaft auf fast vier Prozent der Wirtschaftsleistung. Europa sei dank seiner Sozialsysteme stärker als andere Regionen der Welt, fügte er hinzu.
Wie bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen sich auch der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt und der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende gegen weitere staatliche Konjunkturspritzen aus.
Keine "künstliche Diskussion"
Die Botschaft ist in den USA offenbar angekommen: Beim jüngsten Treffen der Finanzminister der 20 größten Industrie- und Schwellenländer hatte US-Ressortchef Timothy Geithner die Forderungen nicht wiederholt. Merkel meinte dazu: Es sei "außerordentlich gefährlich", wenn jetzt transatlantische Gegensätze aufgebaut würden. Deswegen sei sie US-Präsident Barack Obama dankbar, dass er von "einer künstlichen Diskussion" über neue Konjunkturhilfen gesprochen habe.
Aber auch in den EU-Staaten wurden Stimmen laut, die sich für weitere Konjunkturprogramme aussprachen, vor allem unter den sozialdemokratischen Parteien. So sagte der Vorsitzende der europäischen Sozialdemokraten, der Däne Poul Nyrup Rasmussen: "Wenn wir nicht mehr tun, riskieren wir, zu Beginn des nächsten Jahres 25 Millionen Arbeitslose zu haben." Der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz kritisierte die Konjunkturpakete der meisten EU-Staaten als unzureichend.
Gipfel zu Beschäftigung geplant
Die EU-Länder sollen außerdem einen Beschäftigungsgipfel am 7. Mai in Prag beschließen, auf dem konkrete Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit verabredet werden sollen. "Es wäre nicht verständlich für die Bürger, wenn die politischen Führer sich so oft treffen, um über die Banken zu reden und keine Zeit haben, über Beschäftigung zu reden", sagte Barroso mit Blick auf den G20-Gipfel.