EU-Haushaltsgipfel steht vor dem Scheitern Nach zwei Stunden schon verausgabt
Kaum eröffnet - schon zu Ende: Die Staats- und Regierungschefs haben ihren Sondergipfel zum EU-Budget unerwartet schnell abgebrochen. Am Mittag will man sich wieder treffen und über einen neuen Kompromissvorschlag beraten. Mit einem Durchbruch rechnet Kanzlerin Merkel nicht - und sie ist nicht die Einzige.
Die Chancen auf eine Einigung über den EU-Haushalt bis 2020 noch in dieser Woche stehen schlecht: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterbrachen ihre Diskussionen über den Etat von rund einer Billion Euro überraschend schnell am frühen Morgen - nach nur knapp zweistündigen Verhandlungen in großer Runde. "Erste Sitzung ist beendet", teilte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kurz nach Mitternacht mit. Die Beratungen werden demnach um 12 Uhr wieder aufgenommen.
Neuer Kompromissvorschlag
Bis dahin haben die Delegationen Zeit, einen leicht modifizierten Kompromissvorschlag des Ratspräsidenten durchzurechnen. Er sieht im wesentlichen Verschiebungen, aber fast keine Veränderungen des Gesamtumfangs der EU-Ausgaben vor. Van Rompuy schichtete aber bei den Ausgabenposten um: So sollen bei den Ausgaben für Forschung sowie Energie- und Verkehrsprojekte rund 13 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. Dagegen sollen die Hilfen für ärmere Regionen um gut 10 Milliarden steigen, die Zahlungen für die Landwirtschaft um rund acht Milliarden Euro. Bei anderen Posten ergeben sich kleinere Veränderungen.
"Es ist ziemlich das Gleiche", hieß es dazu enttäuscht aus dem britischen Lager. Großbritannien verlangt mehr Einsparungen. Den Briten stieß auf, dass die von ihnen geforderten Kürzungen bei der Verwaltung - etwa bei den Bezügen von EU-Beamten - nicht berücksichtigt wurden. "Es ist noch ein langer Weg zu gehen", hieß es aus der britischen Delegation.
"Es ist noch ein ganz langer Weg"
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gab dem neuen Papier wenig Chancen. Mit einer schnellen Einigung auf diesem Gipfel rechnet sie schon jetzt nicht mehr: "Ob wir ein Ergebnis schaffen, da habe ich Zweifel. Stattdessen erwartet sie einen neuen Anlauf: "Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine Etappe zwei geben", sagte Merkel: "Es ist noch ein ganz langer Weg, der zu gehen ist."
Auch Frankreichs Präsident François Hollande äußerte Zweifel an einem raschen Ergebnis. Mit dem neuen Kompromisspapier gab er sich nicht zufrieden. Zwar sei er mit dem Gesamtvolumen von gut einer Billion Euro einverstanden. Allerdings reiche der vorgesehene Beitrag für die Agrarsubventionen und für die Kohäsionsfonds noch nicht aus. Mit seinen Forderungen geht Hollande auf Konfrontationskurs zu den besonders sparwütigen Briten, Dänen, Niederländern und Schweden. Die pochen auf eine massive Kürzung des Gesamthaushaltes. Daher auch Hollandes Schlussfolgerung: Es sei "am wahrscheinlichsten", dass es keine Einigung geben werde. "Das ist, was alle denken."
Wenn es keine Einigung geben sollte, wird mit einem neuen Treffen der Staats- und Regierungschefs Anfang kommenden Jahres gerechnet. Sollte bis Ende 2013 keine Lösung gelingen, wird es in der EU danach automatisch nur noch jährliche Haushalte statt des siebenjährigen Finanzrahmens geben.
Bilateraler Verhandlungsmarathon
Dem offiziellen Gipfelauftakt um 23 Uhr war ein bilateraler Verhandlungsmarathon vorausgegangen. Ab acht Uhr morgens hatten Van Rompuy und Kommissionschef José Manuel Barroso alle Staats- und Regierungschefs zum Sechs-Augen-Gespräch gebeten, um deren rote Verhandlungslinien auszuloten.
Streitpunkt ist vor allem die Höhe des siebenjährigen Finanzrahmens. Während das Europäische Parlament, die Kommission und die Empfängerstaaten in der EU auf eine substanzielle Steigerung pochen, verlangten die Nettozahler-Länder wie Großbritannien, Schweden, die Niederlande und Deutschland erhebliche Kürzungen gegenüber dem Entwurf, den der EU-Ratspräsident vorgelegt hatte.