EU-Russland-Gipfel in Stockholm Der Dauerstreit ums russische Gas
Schon mehrfach fürchtete die EU um ihre Gaslieferungen aus Russland, weil die Ukraine ihre Rechnungen nicht bezahlte. Nun will Moskau die EU mit ins Boot holen, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen. Der EU-Russland-Gipfel diskutiert erneut über die Sicherheit der Gasversorgung - wohl wieder ohne Ergebnis.
Von Stephan Laack, ARD-Hörfunkstudio Moskau, zzt. Stockholm
Anfang November, als sich wieder einmal ein Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine anbahnte, schlüpfte Premierminister Wladimir Putin in eine ungewohnte Rolle. Er machte sich zum Anwalt der Ukraine und forderte die Europäische Union auf, dem fast bankrotten Nachbarn doch finanziell unter die Arme zu greifen. "Falls es irgendwelche Probleme geben sollte, so bitten wir unsere europäischen Partner, sich daran zu beteiligen", so Putin. "Wir haben bereits 2,5 Milliarden Dollar Vorschuss an die Ukraine gezahlt. Jetzt sollten doch die Europäer wenigstens ein Milliärdchen zahlen und nicht so geizig sein!"
Putins Taktik scheint aufgegangen zu sein
Putins Taktik, die EU beim ewigen Streit mit der Ukraine um unbezahlte Rechnungen, Gastransitgebühren und Lieferverträge mit ins Boot zu holen, scheint vorerst aufgegangen zu sein. Auf dem EU-Russland-Gipfel wird das Thema Energiesicherheit und damit auch die russischen Gaslieferungen über die Ukraine nach Europa ein Schwerpunkt sein. EU-Experte Wladislaw Below vom Moskauer Europa-Institut meint, die EU müsse nun Stellung beziehen. "Die EU hat eine Position eingenommen, in der es sehr bequem war: Den Streit von außen zu betrachten und dann Russland unter Kritik zu setzen. Diese Zeiten müssen vorbei sein. Die EU muss verstehen, dass sie ein Teilnehmer dieses Streits ist, ein Teilnehmer, der mit den anderen eine objektive Lösung finden sollte."
Druck auf die Ukraine könnte sich erhöhen
Damit gibt Below auch die Position des russischen Präsidenten Dimitri Medwedjew wieder, der dieses Thema in Stockholm ansprechen will. Bereits am Montag hatten sich Russland und die EU-Kommission auf ein Frühwarnsystem verständigt, dass unter anderem im Falle eines drohenden Gaslieferstopps eine schnellere Kommunikation zwischen beiden Seiten ermöglichen soll. Wie dadurch ein erneuter Gasversorgungsengpass vermieden werden kann, ist unklar. Fakt ist jedoch, dass sich der Druck auf die Ukraine erhöht, wenn es Russland tatsächlich gelingt, die EU beim Gaskonflikt mit ins Boot zu holen.
Auch Partnerschaftsabkommen auf der Tagesordnung
Doch die Frage der Energiesicherheit ist nur eine von vielen, die beim ohnehin kurzen Gipfel in Stockholm besprochen werden sollen. Viel mehr als vier Stunden bleiben den Teilnehmern nicht, um über Klimaschutz, Wirtschaftsfragen oder Menschenrechte zu diskutieren. Auch ist fast in Vergessenheit geraten, dass derzeit immer noch ein neues EU-Russland-Partnerschaftsabkommen ausgehandelt wird.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich zuletzt über den Stand der Gespräche zufrieden. "Die Verhandlungen laufen nicht schlecht. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, den Prozess etwas zu beschleunigen. Im Grunde genommen gibt es schon eine vage Vorstellung davon, wie das Dokument aussehen soll. Wir stellen uns vor, dass es einen langfristigen Charakter haben soll." Der Vertrag solle die Grundrichtungen für die strategische Partnerschaft in allen Bereichen bestimmen, in der Außenpolitik, der Rechtsprechung, der Wirtschaft, einschließlich der Energiebranche.
Keine handfesten Ergebnisse erwartet
Mit handfesten Ergebnissen wird in Stockholm nicht gerechnet. Das Treffen steht im Schatten des EU-Sondergipfels, bei dem einen Tag später über den ständigen EU-Ratspräsidenten und den künftigen EU-Außenminister entschieden werden sollen.