Keine Einigung bei Ministertreffen EU legt Finanztransaktionssteuer auf Eis
Der Streit über die Finanztransaktionssteuer spaltet Europa. Deutschland und die anderen Befürworter konnten die Gegner der Abgabe nicht überzeugen. Die EU-Finanzminister stellten die Pläne zurück, um die Folgen genauer prüfen zu lassen. Bis Juni soll nach Kompromissen und Alternativen gesucht werden.
Die Europäische Union ist in der Frage der Einführung einer Finanztransaktionssteuer tiefer gespalten denn je. Beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel blieb die erhoffte Einigung aus. Stattdessen legten die Ressortchefs der 27 EU-Staaten die von der EU-Kommission vorgelegten Pläne vorerst auf Eis, denen zufolge eine Art Umsatzsteuer auf den Handel mit Aktien, Derivaten und anderen wichtigen Finanzprodukten erhoben werden soll. Die Meinungsunterschiede erwiesen sich als derzeit unüberbrückbar. Bis Juni sollen EU-Kommission und Dänemark, das zurzeit den EU-Ratsvorsitz inne hat, Kompromisse ausloten.
Viele Länder drängten bei dem Treffen darauf, die wirtschaftlichen Folgen der Besteuerung der Finanztransaktionen genauer zu prüfen. Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager verwies auf Studien nationaler Aufsichtsbehörden, wonach die negativen ökonomischen Folgen einer solchen Abgabe alarmierend seien. "Wir brauchen dazu eine gründlichere Überprüfung", forderte er. Nach dem Konzept der EU-Kommission brächte die Steuer jährliche Einnahmen von 57 Milliarden Euro. Der dämpfende Einfluss auf das Wachstum wäre nach ihren Modellrechnungen mit 0,01 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu vernachlässigen.
Schäuble für Suche nach Alternativen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble deutete an, dass er selbst nicht mehr an die baldige Einführung der von ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel vorangetriebenen Finanztransaktionssteuer glaubt. "Ich wäre sehr dafür, sogar nach anderen Lösungen zu suchen", sagte er in der Debatte der EU-Finanzminister. Er schlug vor, die Kommission und die entsprechenden Arbeitsgruppen klären zu lassen, wo der Finanzbranche bisher ganz allgemein Steuern erspart bleiben. Dies sei dann "eine bessere Basis zu entscheiden". "Dann können wir selbst an anderen Lösungen arbeiten", erklärte er.
Monti und Merkel werben weiter
Der italienische Ministerpräsident Mario Monti sagte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Rom, am besten wäre die Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte in allen 27 EU-Staaten. Man müsse aber realistisch sein. Nach Angaben Merkels gibt es noch großen Diskussionsbedarf über Details. Es müssten auch wettbewerbsverzerrende Effekte angeschaut werden.
Auch Dänemark sprach von der Suche nach neuen Wegen. "Da gibt es ganz viele verschiedene Instrumente", sagte die dänische Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager. Als Beispiel nannte sie die britische "Stempelsteuer", die deutlich weniger Geschäfte und Finanzprodukte erfasst als die Finanztransaktionssteuer, oder eine Steuer nur auf Profite und Bonuszahlungen von Finanzinstituten.
Schäuble zeigte sich offen für ein mögliches Vorgehen ohne Großbritannien, das sich vehement gegen eine Finanztransaktionssteuer stemmt. "Wenn auf europäischer Ebene keine Lösung zu finden ist, dann glaube ich, müssen wir uns nach Alternativen umsehen", sagte der Bundesfinanzminister. "Denn dass nichts dabei herauskommt, das wäre eine Katastrophe."
Steuer auch in der Eurozone nicht durchsetzbar
Sein früherer Vorschlag, die Steuer notfalls nur in der Eurozone einzuführen, gilt inzwischen aber als nicht durchsetzbar. Die Euro-Staaten Italien, Finnland und Luxemburg sprachen sich dagegen aus. Wenn überhaupt, müssten alle 27 EU-Staaten mitziehen, sagte Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden. "Wenn man das nur in einer kleinen Gruppe anwendet, dann würden die Transaktionen in andere Staaten abwandern", argumentiert er. Etwa nach London, dem größten Finanzplatz in der EU. Den Schaden hätten die Finanzplätze in den Euro-Staaten. Auch Irland äußerte grundsätzliche Bedenken.
Deutschland, Frankreich, Österreich und einige andere EU-Staaten sprachen sich bislang dafür aus, eine Art Umsatzsteuer auf Finanzmarktgeschäfte zu erheben. Aber in der Frage einer möglichen Einführung zunächst allein in der Eurozone äußerte sich nun auch Frankreich zurückhaltend. Angestrebt werde die "breitest mögliche Lösung", sagte der französische Finanzminister François Baroin. Also eine Steuer, bei der möglichst viele mitmachen - und kein Vorpreschen der 17.
Entschiedene Gegner der Finanztransaktionssteuer sind neben Großbritannien auch Schweden und Tschechien. Die Staaten warnen davor, Europa im internationalen Wettbewerb um die Finanzindustrie zu benachteiligen. Sie fürchten, dass viele Geschäfte künftig einfach an Handelsplätzen in den USA oder Asien zustande kämen. Zudem werde die Verteuerung der Geschäfte auch die Kreditkosten privater Haushalte, Unternehmen und Staaten in die Höhe treiben. Der schwedische Finanzminister Anders Borg kritisierte, dass die Steuer schlecht für das Wachstum Europas sei. "Die Steuer ist schwer zu akzeptieren", erklärte er.