E-Bus-Sicherheit Depotbrände verunsichern Verkehrsbetriebe
Nach einem Brand in einem Stuttgarter Busdepot haben einzelne Verkehrsbetriebe ihre E-Busse vorübergehend stillgelegt. Laut Polizei könnte ein Ladevorgang das Feuer verursacht haben. Wie ausgereift ist die Technologie?
Den Abend des 30. September werden viele Stuttgarter nicht so schnell vergessen: Eine riesige Rauchsäule erhebt sich über der Stadt am Neckar. Das Busdepot im Stadtteil Gaisburg brennt, 25 Busse werden zerstört. Kleine Explosionen von platzenden Reifen lassen die Anwohner immer wieder aufschrecken. Die mehr als 200 Einsatzkräfte der Feuerwehr kämpfen zwei Stunden, bis sie das Feuer unter Kontrolle bringen können.
Furcht vor weiteren Bränden
Auch rund drei Wochen später sind die Spuren des Brandes noch immer deutlich zu sehen. Die Bus-Skelette stehen unverändert an ihrem Platz im Busdepot. Da das Dach der Halle einsturzgefährdet ist, verzögern sich die Brandermittlungen und Aufräumarbeiten.
Klar ist inzwischen: Zwei der 25 zerstörten Busse in Stuttgart waren mit einem vollelektrischen Antrieb unterwegs. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler könnte ein Ladevorgang eines Elektrobusses den Brand ausgelöst haben. Nach SWR-Informationen könnte es sich dabei um einen e-Citaro von Mercedes-Benz mit neuartiger Festkörperbatterie handeln. Im März hatte der Hersteller Busse gleicher Bauart wegen Isolationsfehlern zurückgerufen. Die Frage, die im Raum steht: Wie sicher ist die Technologie? Drohen weitere Brände?
Batterietechnologie gilt als sicher
Maximilian Fichtner ist Batterieexperte und Geschäftsführender Direktor des Helmholtz Instituts in Ulm. Spricht man mit ihm über den Einsatz von Batterien in Fahrzeugen, wird schnell klar, dass Fichtner der Technik vertraut und nach dem Brand in Stuttgart Entwarnung gibt. Einen Brand könne man zwar nie komplett ausschließen, so Fichtner, "aber von der Statistik her brennen Batteriefahrzeuge zwanzig Mal seltener als Verbrenner." Eine Einschätzung, die auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV teilt: "Nach unserer Einschätzung geht von Elektroautos grundsätzlich keine höhere Brandgefahr aus als von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren."
Die Festkörperbatterie, wie sie im e-Citaro von Mercedes-Benz verbaut wird, schätzt Experte Fichtner sogar als besonders sicher ein. Dieser Batterietyp habe schon 20 Millionen Flottenkilometer in den "Blue Cars"gesammelt, einem Elektroauto aus Frankreich. "Die Batterien sind sehr sicher. In den iPhones kommen übrigens ganz ähnliche Batterien zum Einsatz."
Ladefehler als Ursache?
Bei der klassischen Batterie trennt eine Flüssigkeit das Speichermaterial im Plus- und im Minuspol. "Dieser Elektrolyt besteht in der klassischen Batterie aus einer organischen Flüssigkeit", so Fichtner. Diese Flüssigkeit könne auch brennen. "Das sind die Batteriebrände, die man so kennt. Das kann bei der Festkörperbatterie so gut wie nicht passieren. Hier ist keine Flüssigkeit, sondern eine Kunststofffolie zwischen den Plus- und Minuspolen vorhanden. Und das ist per se schon mal sicherer."
Sollte der Brand in Stuttgart also tatsächlich vom Mercedes e-Citaro ausgelöst worden sein, geht Fichtner von einem Ladefehler aus: "Wenn Sie die Batterie beispielsweise überladen, dann kann es theoretisch zu einem kritischen Zustand kommen und ein Brand entstehen."
Brände auch in Hannover und Düsseldorf
Der Brand im Busdepot in Stuttgart ist bereits der dritte Großbrand bei einem Verkehrsunternehmen im Jahr 2021. Im Juni zerstörte ein Feuer auf dem Betriebshof der ÜSTRA in Hannover acht Busse, darunter fünf Elektrobusse. 38 Busse verlor die Rheinbahn in Düsseldorf im April in Folge eines Großbrandes. Auch hier waren E-Busse betroffen. Ein Gutachten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf kommt zu dem Ergebnis, "dass der Brand eine technische Ursache hatte". Welche genau, bleibt unklar. In Hannover laufen die Ermittlungen weiter. Auf Nachfrage heißt es, "sie seien aber so weit fortgeschritten, dass wir eine besondere oder erhöhte Brandgefahr durch die Antriebsart und Ladetechnik der E-Busse ausschließen können".
Ein ausgebrannter Bus im Depot in Stuttgart. Insgesamt 25 Busse wurden dabei zerstört.
Die Brände verunsichern die Branche. Und kommen - mitten in der Transformation vom Diesel zum Elektrobus - zur Unzeit. Nach dem Brand in Stuttgart haben Verkehrsbetriebe in Deutschland ganz unterschiedlich reagiert. Während die Wiesbadener Verkehrsbetriebe ihre 40 e-Citaros mit Festkörperbatterien weiter einsetzen wollen, hat die Münchner Verkehrsgesellschaft im Oktober acht Elektrobusse gleichen Typs außer Betrieb genommen. "Die Sicherheit steht für uns immer an erster Stelle", sagt MVG-Geschäftsführer Ingo Wortmann. "Daher haben wir uns entschlossen, die Fahrzeuge vorsorglich aus dem Betrieb zu nehmen, bis detaillierte Erkenntnisse zu dem Brand in Stuttgart vorliegen."
Mehr Busse, zu wenig Depots
Der zuständige Branchenverband, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), hat eine ganz andere Erklärung für die drei Großbrände in diesem Jahr. "Wir haben keine Häufung von Schäden durch die Elektromobilität", sagt der Geschäftsführer Technik vom VDV, Martin Schmitz. "Wir haben in den vergangenen Jahren die Busdepots immer weiter verdichtet. Es gab einen starken Nachfragezuwachs, mehr Busse, aber nicht unbedingt mehr Depots. Wenn Fahrzeuge mit einem Abstand von weniger als einem Meter zueinanderstehen, dann ist die Gefahr groß, dass andere Fahrzeuge mit anfangen zu brennen", so Schmitz. Man brauche wieder mehr Platz.
Um erneute Großbrände zu verhindern, könnten mehr dezentrale Depots helfen, und auch über Brandschutzmauern und kleinere Brandabschnitte müsse man in Zukunft nachdenken. Klar sei aber, so Schmitz: "E-Busse sind nicht brandgefährlich." Ein gewisses Brandrisiko gebe es antriebsunabhängig, und dieses betreffe schließlich auch Diesel-Busse.
In Stuttgart konzentriert sich die Polizei bei ihren Ermittlungen weiter auf die Batterie des Elektrobusses. "Es sind Vergleichsmessungen bei baugleichen Bussen geplant", sagt Polizeisprecherin Ilona Bonn auf Anfrage. Dabei gehe es zum Beispiel um die Wärmeentwicklung und um die Frage, ob Spannung entstehe, wenn die Batterie nicht angeschlossen sei. Auf Anfrage des SWR betont der Daimler-Konzern, dass die Brandursache noch nicht feststehe. EvoBus, der Hersteller des Mercedes-Benz e-Citaro, unterstütze aber die Ermittlungen und habe größtes Interesse an der Aufklärung.