EU schließt Abkommen mit Gas-Lieferländern Vier Partner für mehr Unabhängigkeit
Neue Pipelines, neue Lieferanten, eine neue Seidenstraße: Die EU sucht nach Wegen, um in Sachen Energie unabhängiger von Russland zu werden. Mit Ägypten, der Türkei, Georgien und Aserbaidschan einigte sich die EU bereits. Nun gilt die Aufmerksamkeit Turkmenistan.
Von Christina Nagel, ARD-Studio Moskau
Von einem Süd-Korridor, einer neuen Seidenstraße, ist die Rede in der Deklaration, die die EU und Vertreter Aserbaidschans, Ägyptens, Georgiens und der Türkei feierlich in Prag unterzeichneten. Das klingt poetisch, hat aber einer handfesten prosaischen Hintergrund. Es geht einmal mehr um die Energiesicherheit Europas - um eine stärkere und vor allem direktere Zusammenarbeit mit den Gas-Exporteuren und Transitländern am Kaspischen und am Schwarzen Meer.
Die Gründe für ein solches Engagement lägen auf der Hand, erklärte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und erinnerte an die negativen Schlagzeilen der vergangenen Monate. "Wir haben Preisexplosionen gesehen, Streit zwischen Unternehmen und Pipeline-Unfälle, die zu Lieferunterbrechungen geführt haben", sagte er.
Schlüsselprojekt Nabucco-Pipeline
Die EU setzt deshalb alles daran, die Energieversorgung zu diversifizieren. Neue Pipeline- und Förderprojekte sollen künftig sicherstellen, dass es keine Engpässe mehr bei den Lieferungen in die Union gibt. Eine besondere Rolle in diesem Konzept spielt das EU-Pipeline-Projekt Nabucco: eine Gas-Röhre, die die an Energiequellen reiche Region am Kaspischen Meer mit der Türkei und Europa verbinden soll. Das Projekt soll stärker als bisher vorangetrieben werden.
Noch gibt es viele Hindernisse. Es ist unklar, woher das Gas kommen soll, mit dem die Pipeline ausgelastet wird. Und auch mit der Türkei als Transitpartner gibt es noch Verhandlungsbedarf. Barroso gab sich aber optimistisch. "Wir sind uns alle einig, die EU und die Türkei, dass wir die Verhandlungen über Nabucco so schnell wie möglich zu einem Abschluss bringen werden", sagte er. Barroso kündigte an, dass der Vertrag bis Ende Juni in der Türkei unterschrieben werde und bekräftigte: "Wir werden alle wichtigen Schritte unternehmen, um das Projekt umzusetzen".
Turkmenistan als neuer Gas-Lieferant
Eine wichtige Rolle als möglicher Gas-Lieferant könnte Turkmenistan spielen. Das bislang sehr abgeschottete, autoritär geführte Land in Zentralasien war auf dem Gipfel vertreten, konnte sich aber wie auch Kasachstan und Usbekistan nicht durchringen, die Deklaration zu unterzeichnen.
Barroso sieht die EU aber auch hier auf einem guten Weg. Mit Blick auf Turkmenistan sei viel erreicht worden. Es gebe das Abkommen mit dem deutschen Unternehmen RWE und eine internationale Ausschreibung zu einigen Initiativen auf dem Energiesektor. "Es ist ein Arbeitsprozess und ich schätze sehr die offenen Bemerkungen und die konstruktive Haltung, die die Vertreter Turkmenistans hier gezeigt haben", sagte Barroso. Turkmenistan könnte wirtschaftlich von einer Erweiterung seines Marktes profitieren. Bislang ist Russland wichtigster Partner.
Russland reagiert mit Skepsis
Die russische Regierung sieht das neue EU-Engagement in Zentralasien nicht zuletzt deshalb kritisch. Vize-Energieminister Anatoli Janowski war in Prag als Beobachter dabei. Er sieht Deklarationen wie die nun unterzeichnete skeptisch. "Diese Themen werden unnötig politisiert", sagte er. "Besser wäre es, es würden sich diejenigen damit beschäftigen, die es angeht." Er verwies dabei auf die Firmen, die für Förderung und Transport zuständig sind. "Sie haben das nötige Wissen, sie haben seit langem Beziehungen und nur sie können den Wert und die Effektivität der einzelnen Projekte einschätzen", sagte Janowski.
Nabucco ist in den Augen der Russen ein wenig attraktives Geschäft - Auch und vor allem, weil die Pipeline an Russland vorbeiführt und in Konkurrenz zu einem russischen Projekt steht: der Süd-Linie "South Stream". Bislang hat Russland noch die Nase vorn im Wettbewerb um die Gas-Reserven. Europa will aber aufholen. Dazu müssten sich die einzelnen EU-Staaten aber entscheiden, ihre ganz eigenen nationalen Energiepolitiken aufzugeben.