Richter geben Abgeordneten Recht Karlsruhe stoppt EFSF-Kontrollgremium - vorerst
Ein neues Sondergremium des Bundestages darf vorerst nicht über Maßnahmen zur Euro-Rettung entscheiden. Das hat das Verfassungsgericht entschieden. Es gab damit einem Eilantrag von zwei Abgeordneten statt. Bundestagspräsident Lammert sieht "keine unmittelbaren Auswirkungen" auf die Handlungsfähigkeit.
Das Bundesverfassungsgericht bezweifelt, dass ein neues Sondergremium zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms EFSF rechtmäßig ist. Das Gericht gab einem Antrag von zwei SPD-Bundestagsabgeordneten auf einstweilige Anordnung statt. Das bedeutet, dass das neunköpfige Bundestagsgremium vorerst keine Entscheidungen über den Einsatz des Euro-Rettungsschirms EFSF fällen darf.
Zur Begründung hieß es, bis zur endgültigen Entscheidung könnte das Sondergremium sonst Entscheidungen treffen, "die die Statusrechte der Antragsteller im Hinblick auf die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berühren". Eine Verletzung der Abgeordnetenrechte wäre auch nicht mehr rückgängig zu machen, wenn die Bundesrepublik völkerrechtlich bindende Verpflichtungen erst einmal übernommen habe.
Die Bundesregierung müsste nun für weitere Hilfsmaßnahmen die Zustimmung des gesamten Bundestags einholen. Die einstweilige Entscheidung führe dementsprechend nicht dazu, dass die Bundesregierung bis zur endgültigen Entscheidung nicht handlungsfähig sei, so das Gericht.
Gremium sollte dringende Entscheidungen treffen
Nach dem im Oktober verabschiedeten Stabilisierungsmechanismusgesetz sollten dringende oder geheime Entscheidungen über Maßnahmen des Rettungsfonds EFSF eigentlich von dem speziellen Gremium getroffen werden, das nur aus neun Mitgliedern des Bundestags besteht. Es sollte sich heute erstmals treffen; der Termin wurde inzwischen abgesagt.
Das Gericht könnte noch vor Weihnachten über die Rechtmäßigkeit des Sondergremiums entscheiden. Eine Sprecherin sagte der Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf entsprechende Äußerungen des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle: "Sofern die Verfahrenbeteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichten, wird der Senat noch vor Weihnachten entscheiden."
SPD-Abgeordnete sehen sich bestätigt
Der SPD-Abgeordnete Swen Schulz sieht den Stopp des Sondergremiums zur Euro-Rettung mit Genugtuung. Die Entscheidung des Gerichts sei eine Bestätigung für ihn und seinen Fraktionskollegen Peter Danckert. Die beiden hatten den Eilantrag eingereicht. Es gehe nicht um Parteipolitik, sondern allein um die Rechte der Abgeordneten, sagte Schulz der Nachrichtenagentur dapd. Es könne nicht sein, dass das neunköpfige Gremium weitreichende Entscheidungen treffe, ohne dass die übrigen Parlamentarier informiert und einbezogen würden. Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider erklärte, der Haushaltsausschuss werde sich zu einer Sondersitzung treffen. Auch das Justizministerium werde daran teilnehmen. "Ich will von der Bundesregierung wissen, an wen sie jetzt ihre Entscheidungsvorlagen richten will, ob an das Bundestagsplenum oder den Haushaltsausschuss", sagte Schneider. Der Bundestag als Plenum sei für derartige vertrauliche und eilige Entscheidungen ungeeignet.
Lammert: "Keine unmittelbaren Auswirkungen"
Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, der Beschluss des Gericht habe "keine unmittelbaren Auswirkungen" auf die Handlungsfähigkeit des Bundestags. Aus heutiger Sicht sei auch noch "keine konkrete Situation absehbar, in der dieses Gremium sicher hätte tagen müssen", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. Auf die Frage, ob künftig der Haushaltsausschuss oder der gesamte Bundestag die Entscheidungen zum EFSF treffen müsse, sagte der CDU-Politiker, dazu könne er der Anordnung des Gerichts "überhaupt nichts" entnehmen. Damit werde sich der Bundestag bei "tatsächlich konkreten Fragen" jeweils auseinandersetzen müssen.
Künftig langsamere Entscheidungen
Aus der schwarz-gelben Regierungskoalition hieß es, der Gerichtsbeschluss mache Entscheidungen zum Euro-Rettungsschirm künftig langsamer. Nun werde Spekulanten mehr Raum geboten und damit werde es für den Steuerzahler gefährlicher. Der parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, verwies darauf, dass das Gericht bisher nur über den Eilantrag entschieden habe. In der Sache sei dagegen noch keine Entscheidung gefallen. Müller fügte hinzu: "Unabhängig davon hat der Bundestag mit breiter Mehrheit den bestehenden Vorgaben aus Karlsruhe zur Parlamentsbeteiligung Rechnung getragen. Die Handlungsfähigkeit ist nicht eingeschränkt. Dem Haushaltsausschuss oder dem Plenum bleibt es stets unbenommen, Entscheidungen zum Rettungsschirm an sich zu ziehen. Dies hat sich in dieser Woche bereits gezeigt."
Das Bundesverfassungsgericht hatte erst in seiner jüngsten Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm im September betont, dass der Bundestag an allen Entscheidungen über Hilfsmaßnahmen größeren Umfangs beteiligt werden müsse, wenn dadurch Belastungen für den Bundeshaushalt entstehen.
Aktenzeichen: 2 BvE 8/11