Corona-Schub für E-Health In der digitalen Sprechstunde
Rezepte per Smartphone, Videokonferenzen mit dem Arzt, Apps für die Diabetes-Behandlung - in der Pandemie setzen sich neue Formen der Medizin noch schneller durch. Es geht auch um ein Milliardengeschäft.
Eine Video-Sprechstunde statt eines persönlichen Arztbesuchs nach oft stundenlanger Wartezeit: Das können sich immer mehr Bundesbürger vorstellen. Rund zwei Drittel halten den Kontakt per Online-Schalte gerade in Corona-Zeiten für sinnvoll, wie eine Umfrage des Digitalisierungs-Verbandes Bitkom ermittelt hat. Auch Gesundheits-Apps finden immer mehr Akzeptanz: Sogar bei den über 65-Jährigen sind fast 50 Prozent dazu bereit, sich ein solches Programm auf dem Smartphone zu installieren. Die Corona-App der Bundesregierung hat dabei den Weg aufgezeigt, rund 21 Millionen Mal wurde das Programm bereits heruntergeladen.
Wenn am heutigen Montag auf der Messe Bitkom über die Digitalisierung des Gesundheitswesens debattiert wird, hat sich die Situation im Vergleich zu den Vorjahren bereits deutlich geändert. Dafür sorgen neben der höheren Bereitschaft, digitale Angebote zu nutzen, auch gesetzliche Rahmenbedingungen und Neuerungen.
Rechtlicher Rahmen steht
So kommt die elektronische Patientenakte (ePa) Anfang kommenden Jahres. Ebenfalls 2021 wird das elektronische Rezept in Deutschland eingeführt, das via Smartphone verschickt und in der Apotheke eingelöst werden kann. Bis 2022 werden E-Rezepte verpflichtend. Bereits jetzt ist eine "App auf Rezept" möglich, mit der Nutzer einfache Selbstdiagnosen vornehmen können. Die Zahl der Video-Sprechstunden steigt explosionsartig. Bereits von Februar auf März 2020 verzeichnete die darauf spezialisierte Plattform Kry einen Zuwachs um 350 Prozent.
Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind das Digitale Versorgungs-Gesetz (DVG), das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorung (GSAV).
Finnen reagieren schneller
Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine sinnvolle Investition und verschafft sogar Standortvorteile, wie das Beispiel Finnland zeigt. Eine elektronische Patientenakte gibt es dort seit 2010. Sie enthält verschiedene Daten, etwa Röntgenbilder, Untersuchungsergebnisse oder Verschreibungen. Alles ist von Ärzten und Patienten einsehbar. Auch Forscher und Entwickler dürfen die Daten - anonymisiert - nutzen. Finnland konnte dank der starken Digitalisierung in der Corona-Krise viel schneller als andere Länder auf Online-Behandlungen umstellen und künstliche Intelligenz einsetzen. Weniger Infektionen und niedrigere Kosten bei der Bewältigung der Krise waren die Folge.
Die Anwendungsmöglichkeiten in einer digitalisierten Medizin sind vielfältig und sie werden immer schneller entwickelt und verbreitet. Das prominenteste Beispiel einer digitalen Vernetzung ist im Bereich der Diabetes-Behandlung zu bestaunen. Hier können Patienten mithilfe einer Insulinpumpe und einer App auf dem Smartphone ihre Werte in Echtzeit kontrollieren und die Anwendung sogar auf der Basis dieser Werte individuell anpassen. Eine Verbesserung der Lebensqualität und sogar ein längeres Leben sind die Folge.
Start-ups und Weltkonzerne
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Interpretation von Patientendaten, der schnelle Transfer von Informationen zwischen Arzt-, Facharzt und Krankenhaus oder der Einsatz von vernetzten Pflegerobotern gehören ebenfalls zu den vielen Bereichen dieser Wachstumsbranche.
Angetrieben wird die zunehmende Popularität von zahlreichen Unternehmen. Die Hoffnung auf Milliardenumsätze und Gewinne sorgt für einen Wettbewerb, in dem junge, innovative Start-ups, aber auch globale Weltkonzerne mitmischen. Für die Online-Terminvereinbarung nutzen etwa viele Ärzte die Tools von Doctolib oder Clickdoc. Im Bereich digitale Diagnostik ist in Deutschland die Anwendung Ada Health führend, die elektronische Gesundheitsaktie kann das Angebot von Doctor-Box mit vielen Tausend App-Downloads punkten.
Großkonzerne aus dem Bereich Pharma und Gesundheit haben das Thema E-Health aber ebenfalls längst entdeckt. Der Schweizer Pharmariese Roche etwa hat bereits im März in Berlin die Rox Health GmbH gegründet, die eigene Anwendungen entwickelt, etwa eine App zur Begleitung von Therapien gegen Multiple Sklerose.
Auch Facebook mischt mit
Aber auch die US-Internetgiganten gehören zu den Akteuren. So haben Google und Apple nicht nur bei der Einführung der Corona-App kooperiert, sondern arbeiten an "Tracing"-Funktionen, die auf der Basis von Nutzerdaten Warnungen senden können, ganz ohne App. Die deutsche Corona-Warn-App selbst haben die Dax-Konzerne SAP und Telekom entwickelt.
Auch Facebook, das eine Anwendung zur Vereinbarung von Arzt- und Vorsorgeterminen entwickelt hat und Amazon, das an einer digitalen Gesundheitsplattform arbeitet, sind auf den E-Gesundheitszug aufgesprungen. Bereits vor zwei Jahren hatte Amazon die Online-Apotheke PillPack in den USA übernommen.