Hauptversammlung der Deutschen Bank Cryan verbreitet Optimismus
Die Deutsche Bank ist in der Krise, die Aktionäre machten ihrem Frust bei der Hauptversammlung Luft. Sie kritisierten vor allem Aufsichtsratschef Achleitner. Nur 87 Prozent stimmten seiner Entlastung zu. Immerhin: Der neue Chef Cryan sieht sich beim Abbau von Milliarden-Altlasten fast am Ziel.
Die Deutsche Bank will sich bei ihrem Radikalumbau nicht länger von teuren Altlasten bremsen lassen. "Bei aller Vorsicht sehe ich uns - was unsere Rechtsstreitigkeiten angeht - allmählich auf der Zielgeraden", sagte Vorstandschef John Cryan bei der Hauptversammlung des Dax-Konzerns in Frankfurt. "Wir sind zuversichtlich, in diesem Jahr noch einige wichtige Verfahren abschließen zu können."
Aktuell hat die Bank mit 7800 Rechtsstreitigkeiten zu tun, die meisten nach Cryans Angaben mit einem sehr niedrigen Streitwert. In den vergangenen Jahren kosteten juristische Fehden Deutschlands größtes Geldhaus gut 12 Milliarden Euro - etwa wegen der Beteiligung an Zinsmanipulationen (Libor), umstrittenen Hypothekengeschäften und Verstößen gegen Handelssanktionen. Für noch drohende Strafen wurden weitere 5,4 Milliarden Euro zurückgelegt. "In diesem Jahr rechnen wir noch einmal mit weiteren Belastungen", sagte Cryan.
Achleitner in der Kritik
Der umstrittene Aufsichtsratschef Paul Achleitner versicherte, die Bank werde bei der Aufarbeitung von Skandalen auch nach dem Rücktritt von Chefaufklärer Georg Thoma nicht nachlassen: "Wir alle im Aufsichtsrat sind uns einig, dass die Altlasten und andere mögliche Verfehlungen auch künftig konsequent aufgearbeitet und daraus Lehren gezogen werden." Thoma hatte Ende April nach öffentlicher Kritik seinen Rücktritt erklärt.
Dem Juristen Thoma, den Achleitner erst 2013 für den Aufsichtsrat gewonnen hatte, waren "Übereifer" und "juristische Selbstverwirklichung" vorgeworfen worden. Mit seinen Alleingängen habe er alle übrigen 19 Aufsichtsräte gegen sich aufgebracht. Die Turbulenzen im Aufsichtsrat kurz vor dem Aktionärstreffen hatten auch die Kritik an Achleitner befeuert. Dem seit Juni 2012 amtierenden Chefkontrolleur wird vorgeworfen, für eine schleppende Aufarbeitung der Altlasten mitverantwortlich zu sein. Zudem habe er zu lange am Investmentbanker Anshu Jain als Co-Chef festgehalten.
Ohrfeigen der Anteilseigner
Ein Warnschuss ging bei der Hauptversammlung an Achleitner: Die Aktionäre stimmten seiner Entlastung nur mit knapp 87 Prozent zu. Zustimmungsquoten von weniger als 90 Prozent sind bei deutschen Aktiengesellschaften selten. Vor einem Jahr, als über das Kontrollgremium als Ganzes abgestimmt wurde, hatten noch 91 Prozent des vertretenen Kapitals grünes Licht gegeben. In diesem Jahr ließ die Deutsche Bank über die Entlastung der Aufsichtsräte einzeln abstimmen.
Rückendeckung gab es von Aktionären für den seit Sommer 2015 amtierenden Vorstandschef John Cryan. Er wurde mit mehr als 98 Prozent entlastet. Auch seine neuen Vorstandskollegen erhielten ähnliche Zustimmungsquoten. Die im vergangenen Jahr ausgetauschten Vorstände wurden allerdings nur mit Ergebnissen zwischen 83 und 85 Prozent entlastet, ebenso wie der scheidende Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen. Die wenigsten Stimmen erhielt dabei Anshu Jain. Der damalige Deutsche-Bank-Chef war vor einem Jahr nur mit 61 Prozent entlastet worden - wenige Wochen später trat er ab.
Rechtlich hat die Entlastung von Spitzenmanagern wenig Bedeutung. Ein schlechtes Ergebnis ist allerdings ein deutliches Misstrauensvotum der Aktionäre. Einflussreiche Aktionärsvertreter hatten sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, Achleitner nicht zu entlasten.
Aktionäre lehnen auch neues Vergütungsmodell ab
Widerstand regte sich auch beim Thema Vergütung. Das neue Modell sieht Extra-Boni für Vorstände vor, wenn ihr Geschäftsbereich gut läuft. Es fiel bei den Aktionären durch. Nur 48 Prozent des vertretenen Kapitals billigte die Richtlinien, wie Achleitner nach der Abstimmung mitteilte.
Das Votum der Aktionäre ist eine Ohrfeige für den Aufsichtsrat, aber nicht bindend. Achleitner hat jedoch deutlich gemacht, dass die Bank die Meinung der Aktionäre bei der Ausgestaltung des Vergütungssystems berücksichtigen will. Mehrere einflussreiche Aktionärsberater hatten im Vorfeld empfohlen, das neue System abzulehnen.
Jain war nach einer Schlappe beim Aktionärstreffen vor einem Jahr zum 1. Juli 2015 von Cryan abgelöst worden. Der Brite übernimmt mit Ablauf der diesjährigen Hauptversammlung die alleinige Führung. Co-Chef Jürgen Fitschen verlässt den Vorstand, der 67-Jährige wird die Bank aber weiterhin im Geschäft mit Unternehmen in Deutschland und Asien unterstützen.
Rekordverlust 2015
Nach dem Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro 2015 und dem radikalen Umbau der Führungsebene arbeitet die Bank an einer Trendwende. Deutschlands größtes Geldhaus streicht unter anderem im eigenen Haus unter dem Strich 9000 Arbeitsplätze, 4000 davon in Deutschland. Bis Ende 2017 will die Deutsche Bank ihr Filialnetz im Heimatmarkt um knapp ein Drittel auf 500 Standorte schrumpfen, aus etlichen Auslandsmärkten zieht sich der deutsche Branchenprimus ganz zurück.