Contra: Krisenmanagerin Merkel "Merkel gibt am Ende immer nach"
Merkels Ziel ist, den Euro zu retten. Aber ist die Kanzlerin eine gute Krisenmanagerin? Nein, sagt Politikberaterin Höhler. Merkels Kurs sei selbst für nahe Mitarbeiter nicht mehr lesbar.
tagesschau.de: Laut ARD-DeutschlandTrend sind die meisten Deutschen mit dem Euro-Krisenmanagement der Kanzlerin zufrieden. Teilen Sie diese Mehrheitsmeinung?
Gertrud Höhler: Was diese Mehrheit ausdrücken möchte, ist vor allem: Immer noch läuft es ganz gut für Deutschland. Ob es an der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft liegt oder am "Krisenmanagement" der Politik, speziell der Kanzlerin, kann kaum jemand beurteilen. Wenn es gut läuft, lobt man die Führung; wenn es schlecht läuft, tadelt man die Führung. Wir werden bald deutlicher sehen, ob der Kurs der deutschen Regierung mit immer höheren Bürgschaften und Finanztransaktionen nachhaltig war.
tagesschau.de: Schafft es Merkel (noch), die eigenen Leute von ihrem Kurs zu überzeugen?
Höhler: Der "Kurs" der Kanzlerin ist schwer lesbar, weil sie lange wartet, bis sie erkennbar mitspielt. Das wiederum kann durch einen plötzlichen Kurswechsel geschehen, sodass die eigenen Leute zunächst in eine Richtung gelaufen sind, die Kanzlerkurs zu sein schien, und nun sehr abrupt umdrehen müssen. Die nahen Mitarbeiter der Kanzlerin rechnen daher mit diesen Volten und fragen nicht mehr nach einem lesbaren Kurs.
tagesschau.de: Welche Entscheidung Merkels halten Sie für die beste und welche für die schlechteste?
Höhler: Es ist schwer zu erkennen, in welchen größeren Entscheidungen die Kanzlerin eher abgewartet hat, um am Ende dabei zu sein, oder ob sie die Richtung bestimmt hat. Die beste Entscheidung der jüngsten deutschen Geschichte war die für den Bundespräsidenten Joachim Gauck; aber es war eigentlich Merkels Entscheidung. Was die krisengesteuerten Entscheidungen angeht, so werden uns einige sehr schlecht bekommen; die Kanzlerin war nicht erkennbar dagegen.
tagesschau.de: Konnte Merkels Kurs die deutsche Wirtschaft bisher vor den Auswirkungen der Krise ausreichend schützen? Und wird er das weiterhin tun?
Höhler: Der beste Schutz für die Wirtschaft ist Wettbewerbsfreiheit. Der Wettbewerb wird in Deutschland durch Staatseingriffe mehr und mehr behindert. Das auffallendste Beispiel ist die Energiewirtschaft: Die sogenannte Wende brachte eine Verstaatlichung des vitalen Kerns der Marktwirtschaft: Energie. Die Folgen spürt jeder Bürger bereits in steigenden Preisen.
tagesschau.de: Trägt Merkels Krisenpolitik entscheidend zur Rettung des Euro bei oder erschwert sie eine nachhaltige Stabilisierung der Eurozone?
Höhler: Merkels Krisenpolitik ist schwer zu identifizieren. Es gibt deutlicher lesbare Handschriften in dieser Politik als die Merkels: Draghi, Monti, Rajoy, Hollande sorgen für Vorteile ihrer Länder im Verteilungsbasar. Merkel entschleunigt, gibt aber am Ende immer nach.