Angespannte Lage Pharma stützt die Chemieindustrie
Der russische Krieg in der Ukraine wirkt sich auch auf die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie aus. Die Branche stellt sich in diesem Jahr auf eine deutlich niedrigere Produktion ein. Ohne das Pharmageschäft sähe es sogar noch düsterer aus.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) rechnet für laufende Jahr bei einer zwar teuren, aber ausreichenden Energie- und Rohstoffversorgung mit einem Produktionsrückgang von 1,5 Prozent. Ohne das Pharmageschäft dürfte sogar ein Minus von vier Prozent zu Buche stehen.
Bisher hatte sich der Verband wegen der unabsehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine keine Prognose zugetraut. Und noch immer bleiben großen Unsicherheiten: Denn sollte es Probleme bei der Gasversorgung durch eine weitere Drosselung oder einen Lieferstopp Russlands geben, könnte die Prognose hinfällig sein, so der Verband.
Auch in der zweiten Jahreshälfte rechnet der VCI mit einem hohen Ertragsdruck für die wichtige Industriebranche mit ihren mehr als 530.000 Beschäftigten. "Eine spürbare Entspannung bei den Energie- und Rohstoffkosten sehen wir derzeit nicht. Erdgas dürfte auch weiter deutlich teurer sein als in anderen Regionen der Welt. Vor diesem Hintergrund bekommt der Standort Deutschland zunehmend ein Wettbewerbsproblem", sagte VCI-Präsident Christian Kullmann.
Energieintensives Geschäft
Die Chemiebranche ist der größte industrielle Energieverbraucher in Deutschland. Allein das Stammwerk von BASF in Ludwigshafen ist für rund ein Prozent des deutschen Stromverbrauchs verantwortlich. Beim Erdgas liegt der Anteil sogar bei rund vier Prozent. Daher ist es auch kein Wunder, dass die Branche von den deutlich steigenden Energiepreisen und einem möglichen Stopp der Gaslieferungen aus Russland besonders betroffen wäre.
Bereits im ersten Halbjahr konnte die Branche die Produktion mit einem halben Prozent nur wenig ausweiten, ohne Pharma sank die Produktion sogar um drei Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Anlagen ging auf 80 Prozent zurück. Die steigenden Produktionskosten konnten die Unternehmen nur zum Teil an Kunden weitergegeben.
Der Branchenumsatz legte um 22 Prozent auf 130 Milliarden Euro zu. Doch dieses Plus ist auch der hohen Inflation geschuldet; so legten die Erzeugerpreise im Mai um rund ein Drittel zu. Laut einer Mitgliederumfrage des VCI betrug bei über einem Fünftel der Unternehmen der Anstieg der Rohstoff- und Energiekosten im ersten Halbjahr mehr als 50 Prozent. Rund 70 Prozent der Unternehmen berichteten laut der VCI-Umfrage über einen Gewinnrückgang, einige sind bereits in die Verlustzone geraten.