Bundestag debattiert über Fiskalpakt und ESM "Kein Wurmfortsatz der Finanzmärkte"

Stand: 29.03.2012 12:02 Uhr

Die Opposition hat der Regierung im Bundestag eine falsche Strategie in der Eurokrise vorgeworfen. Die SPD warnte vor einem Europa als "Wurmfortsatz der Finanzmärkte". Die Grünen forderten einen "Stabilitätspakt mit Zähnen" - und die Linkspartei kritisierte den geplanten Fiskalpakt als grundgesetzwidrig.

Im Bundestag haben sich Regierung und Opposition einen Schlagabtausch über den geplanten Fiskalpakt geliefert. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) appellierte an SPD und Grüne, die Gesetzespakete zum europäischen Fiskalpakt und zum dauerhaften Rettungsschirm ESM mitzutragen. Das Paket sei "für die Stabilität des Euro und für die Zukunft Europas ganz entscheidend", sagte Kauder im Bundestag. Wie geplant sollten die Gesetze vor der Sommerpause im Paket verabschiedet werden, um international ein starkes Signal zu setzen. "Wir kommen aus dem Krisenmanagement heraus in eine Stabilitätsunion", sagte er.

SPD und Grüne wollen über den Fiskalpakt erst im Herbst entscheiden. Schwarz-Gelb ist auf die Stimmen der Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Rot-Grün fordert für die Zustimmung zum Fiskalpakt im Gegenzug eine Steuer auf Finanzgeschäfte sowie Wachstumsprogramme für angeschlagene Euro-Länder. Kauder versprach der Opposition eine Einigung in diesem Streit. Er verwies jedoch darauf, dass es auf europäischer Ebene und innerhalb der Euro-Zone keine Mehrheit für eine solche Steuer auf Finanzgeschäfte gebe. "Wir werden aber eine Lösung finden, dass diejenigen, die das mitverursacht haben, nicht einfach so davonkommen", sagte der CDU-Politiker. "Das ist Zusage, und daran werden wir uns auch halten."

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warb ebenfalls für den Fiskalpakt und den dauerhaften Rettungsschirm ESM, er bezeichnete diese als "Meilensteine auf dem Weg der weiteren europäischen Integration". Die Politik müsse mit "mehr Europa" auf die Krise antworten, forderte Westerwelle.

"Kein fantasieloses Sparen"

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte die Koalition hingegen, sie solle nicht davon ausgehen, dass ihr die SPD-Zustimmung "einfach einmal so in den Schoß fällt". "Wir wollen ein Europa, das neues Wachstum schafft", sagte Steinmeier. Europa dürfe nicht nur ein "Wurmfortsatz der Finanzmärkte" sein. Aus fantasielosem Sparen allein könne kein Wachstum entstehen. Daher müsse der Fiskalpakt um neue Wachstumsimpulse von der europäischen Ebene ergänzt werden. Finanziert werden müssten diese Impulse aus EU-Strukturhilfen, auch aus mit Investitionen verbundenen Projekt-Bonds sowie aus einer Finanztransaktionssteuer, schlug der SPD-Fraktionschef vor.

Zugleich forderte er die Regierung auf, notfalls auch unterhalb der Ebene von EU oder Eurozone die Einführung einer Finanztransaktionssteuer voranzutreiben. Wenn eine europaweite Einführung an Großbritannien scheitere und auch in der Eurozone eine solche Steuer nicht einheitlich eingeführt werden könne, dann müsse man eben andere Wege gehen. Zugleich forderte er die Koalition auf, in ihren Reihen Klarheit über ihre Position zu dieser Steuer zu schaffen.

"Ein Schirmchen"

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete den Fiskalpakt hingegen als "weiße Salbe". Der Pakt sei "ein symbolisches Versprechen", dass die europäischen Staaten die Neuaufnahme von Schulden vermeiden wollten, aber kein "Stabilitätspakt mit Zähnen". Die Koalition wolle mit dem Fiskalpakt "ein Schirmchen" aufbauen.

Trittin verlangte, mit dem Fiskalpakt müssten nicht nur neue Schulden begrenzt, sondern auch alte abgebaut werden. Zusätzlich müssten Spekulationen eingedämmt und in nachhaltiges Wachstum investiert werden. Die Entscheidung über das endgültige Paket habe Zeit bis Ende des Jahres. Zuvor müsse allerdings der dauerhafte Rettungsschirm ESM auf den Weg gebracht werden.

"Grundgesetzwidrig"

Nach Ansicht von Linksfraktionschef Gregor Gysi nimmt die Bundesregierung Banken und Hedgefonds zu wenig in die Verantwortung bei der Euro-Rettung. Sie müssten nicht "das geringste Risiko eingehen", während deutsche Steuerzahler und Unternehmer alles zahlen müssten. "Sie haben sich erpressbar gemacht durch die Banken", warf Gysi der Regierung vor und forderte Banken so zu verkleinern, dass sie notfalls auch in die Insolvenz geschickt werden könnten.

Gysi bezeichnete zudem den geplanten Fiskalpakt für 25 EU-Staaten als grundgesetzwidrig. Die im Vertrag vorgesehenen Schuldenbremsen hätten den Rang eines völkerrechtlichen Vertrages, der nicht kündbar sei. Dies greife tief in die Budgethoheit des Bundestages ein, sagte Gysi.

Rettungshilfen von bis zu 750 Milliarden Euro

Beim ESM-Vertrag reicht im Gegensatz zum Fiskalpakt bereits eine einfache Mehrheit in Parlament und Länderkammer. Der künftige Hilfsfonds startet bereits im Juli. Der ESM soll Notkredite von bis zu 500 Milliarden Euro vergeben können. Nach internationalem Druck ist Deutschland aber bereit, die Rettungshilfen zeitweise auf bis zu 750 Milliarden Euro auszuweiten - womit auch die Haftung der Bundesrepublik steigen dürfte. Die Details wollen die Euro-Finanzminister an diesem Freitag bei ihrem informellen Treffen in Kopenhagen beraten.

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums schlüsselte die Hilfen auf, die künftig für Krisenfälle in der Euro-Zone zur Verfügung stehen sollen. Das Maximalvolumen von 750 Milliarden Euro ergebe sich aus der Kombination der 500 Milliarden Euro aus dem ständigen Rettungsmechanismus ESM und weiteren rund 200 Milliarden Euro aus dem bisherigen Fonds EFSF. Dies addiere sich zu 700 Milliarden Euro, wozu dann noch rund 49 Milliarden aus dem gemeinschaftlich von der EU getragenen Instrument EFSM kämen.