Bundesgerichtshof
FAQ

BGH zu Bausparverträgen Endet der Streit um hohe Bausparzinsen?

Stand: 21.02.2017 04:28 Uhr

Seit 2015 bekommen viele Bausparer unerwünschte Post: Ihr Finanzinstitut kündigt einen älteren Bausparvertrag, der für heutige Verhältnisse ungewöhnlich hohe Zinsen abwirft. Ob es das darf, beschäftigt nun den Bundesgerichtshof.

Von Klaus Hempel, ARD-Rechtsredaktion

Die Interessen könnten unterschiedlicher nicht sein: Bausparer mit Altverträgen wollen möglichst lange ihr Geld bei den Bausparkassen liegen lassen, weil es dort gut verzinst wird. Drei Prozent Zinsen und mehr pro Jahr sind dabei nicht selten. Für die Bausparkassen sind die hohen Zinsen dagegen ein finanzieller Ballast, den sie loswerden wollen. Deshalb haben viele Institute versucht, Hunderttausende Kunden aus den lukrativen Altverträgen zu drängen und ihnen gekündigt. Ob das rechtens ist, muss nun der Bundesgerichtshof entscheiden.

Worum genau geht es beim BGH?

Es geht um Bausparverträge, die zwei Frauen mit der Bausparkasse Wüstenrot abgeschlossen haben. In einem der Fälle hatte eine der Frauen 1978 einen Vertrag abgeschlossen, die Bausparsumme lag bei 40.000 D-Mark. Für das Sparguthaben wurde ein Zinssatz von drei Prozent pro Jahr vereinbart. 1993 wurde der Bausparvertrag zuteilungsreif. Das heißt: Die Frau hätte ein Darlehen in Anspruch nehmen können. Das tat sie aber nicht. Sie stellte die Zahlungen ein, ohne das Darlehen in Anspruch zu nehmen und ließ den Vertrag einfach weiterlaufen. Anfang 2015 kündigte Wüstenrot den Vertrag. Auch zwei Verträge der anderen Frau wurden gekündigt, weil sie zuteilungsreif waren. Dagegen haben die Anlegerinnen geklagt. Sie meinen, dass Wüstenrot kein Recht habe, den Vertrag zu kündigen.

Wie hat Wüstenrot die Kündigungen begründet?

Wüstenrot ist der Ansicht, dass die Bausparverträge zweckentfremdet werden. In Wahrheit wollten die Anlegerinnen gar kein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen, sondern in der Niedrigzinsphase dauerhaft von den hohen Zinsen profitieren, die ihnen vor vielen Jahren vertraglich zugesagt wurden. Wüstenrot meint, Bausparern kündigen zu können, die ihr Darlehen nicht aufgenommen haben, obwohl das schon zehn Jahre oder länger möglich gewesen wäre. Wichtig dabei: Wenn die Bausparkassen während der Ansparphase Geld vom Kunden bekommen, sind sie selbst Darlehensnehmer. Nach Paragraf 489 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann ein Darlehensvertrag - in diesem Fall der Bausparvertrag - zehn Jahre nach Empfang des Darlehens gekündigt werden. Auf diese Vorschrift beruft sich Wüstenrot.  

Wie haben die Vorinstanzen entschieden?

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte den beiden Frauen im vergangenen Jahr Recht gegeben (Aktenzeichen: 9 U 171/15 und 9 U 230/15). Ein Kündigungsrecht bestehe nicht. Wüstenrot habe es versäumt, bei Vertragsabschluss eine unerwünscht lange Laufzeit auszuschließen. In ähnlich gelagerten Fällen hatten mehrere Oberlandesgerichte allerdings den Bausparkassen Recht gegeben und die Kündigung der Verträge für rechtens erklärt. Wie der Bundesgerichtshof nun entscheidet, ist völlig offen.

Wie viele Bausparer sind von der Entscheidung des BGH betroffen?

Sehr viele. Bis Ende 2016 haben die Bausparkassen schätzungsweise 260.000 Bausparverträge gekündigt, weil sie die hohen Zinsen nicht weiterzahlen wollen. Viele Bausparer haben sich mit ihrer Bausparkasse aber außergerichtlich geeinigt und einen Vergleich abgeschlossen. Offizielle Zahlen dazu liegen nicht vor.