Bahn-Vorwurf an Gewerkschaft "Die GDL bewegt sich keinen Millimeter"
Kurz vor Beginn des fünften GDL-Streiks hat die Bahn der Gewerkschaft schwere Vorwürfe gemacht. Es habe ein gutes Vermittlungsangebot gegeben, doch die GDL wolle ihre Maximalforderungen durchsetzen.
Die Bahn hat der Lokführergewerkschaft GDL im aktuellen Tarifstreit fehlende Verhandlungsbereitschaft vorgeworfen. Sprecher Achim Stauß sagte, beide Seiten hätten vier Wochen verhandelt. Dabei hätten die Moderatoren - Ex-Innenminister Thomas de Maizière und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther - ein Angebot vorgelegt, dem die Bahn zugestimmt hätte. Es sei im wichtigsten Streitpunkt, der Absenkung der Wochenarbeitszeit, auch sehr nahe an den Forderungen der GDL gewesen.
GDL lehnte Vorschlag ab
Dennoch sei die GDL "aufgestanden, hat die Verhandlungen verlassen und ist nicht kompromissbereit", erklärte Stauß in Berlin. "Die GDL bewegt sich keinen Millimeter." Jedoch brauche es "Flexibilität und kein stures Beharren auf Maximalforderungen".
Wie nah das Vermittlungsangebot den Forderungen der Gewerkschaft kam, geht aus einem Schreiben der beiden Moderatoren hervor, das sie veröffentlichten. Demnach sah der Vorschlag vor, die Wochenarbeitszeit für das Zugpersonal im Schichtdienst und die Beschäftigten in Werkstätten in zwei Stufen von derzeit 38 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich zu senken. Die erste Stunde sollte zum 1. Januar 2026 wegfallen, die zweite zum 1. Januar 2028. Günther war für die vereinbarte Kompromisssuche von der GDL als Moderator ernannt worden, de Maizière von Seiten der Bahn.
Weselskys "Denkfehler" sorgt für Unmut
Der Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, hat weiteres Unverständnis ausgelöst mit einer falschen Darstellung von einem Vermittlungsvorschlag für die Bahn-Tarifverhandlungen. Es dürfe nicht passieren, "dass Millionen Fahrgäste ab Donnerstag wegen eines solchen Denkfehlers erneut nicht zur Arbeit kommen können, weil streikbedingt keine Züge fahren", teilte etwa der Bundesverband Schienennahverkehr mit. Den eigenen "Denkfehler" öffentlich einzugestehen, zeuge aber von innerer Größe.
Weselsky hatte den Vorschlag der Moderatoren bei einer Pressekonferenz am Montag anders dargestellt: Diese hätten eine Absenkung auf lediglich 37 Stunden bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht. Eine weitere halbe Stunde Reduzierung wäre lediglich optional und mit finanziellen Einbußen für die Beschäftigten verbunden gewesen. Die Bahn hatte diese Darstellung bereits zurückgewiesen. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" räumte Weselsky am Dienstag ein, ihm sei bei dieser falschen Darstellung ein "Denkfehler" unterlaufen. Das ändere aber nichts an seiner Ablehnung des Vorschlags, betonte er. Denn dieser enthalte keinen Schritt Richtung 35-Stunden-Woche, der Ausgangsforderung der GDL.
Grundangebot an Verbindungen
Ungeachtet dessen soll heute Abend der fünfte Streik der Lokführer beginnen. Zunächst ist nur der Güterverkehr betroffen, ab Donnerstagfrüh dann auch der Personenverkehr. Bis Freitagmittag um 13 Uhr sollen die Züge dann weitestgehend stillstehen.
Wie Bahn-Sprecher Stauß erklärte, will die Bahn erneut ein Grundangebot an Verbindungen aufrechterhalten. Das gelten sowohl für den Fern-, als auch den Regional- und den S-Bahn-Verkehr. Wie viele Züge genau fahren werden, sagte Stauß nicht. Auch gebe es regionale Unterschiede. Im Fernverkehr sollen aber längere Züge zum Einsatz kommen, damit mehr Fahrgäste die wenigen Verbindungen nutzen können. Er rief die Fahrgäste auf, sich rechtzeitig zu informieren, welche Verbindungen tatsächlich fahren. Eine Umbuchung sei für jeden Fahrgast ohne Probleme möglich, betonte er.
Dennoch werde der Streik erneut massive Auswirkungen haben. Das gelte nicht nur für den Personentransport, sondern auch für die Wirtschaft. Als Beispiel nannte Stauß die Automobil- oder Chemieindustrie, die nicht mit Grundstoffen oder Teilen beliefert werden könnten.
Kritik an neuer Streik-Strategie
Scharf kritisierte er auch die neue Strategie der Lokführer: Sie wollen künftig sogenannte Wellenstreiks durchführen, die nicht mehr im Voraus angekündigt werden. "Die GDL will verhindern, dass die Bahn ihren Fahrgästen ein Grundangebot an Verbindungen anbieten kann. Deshalb appelliere ich an die GDL, ihre Streiks mindestens 48 Stunden vorher anzukündigen."
Verkehrsausschuss-Vorsitzender ruft GDL zu Verhandlungen auf
Kritik am Verhalten der Gewerkschaft kommt auch aus der Politik. Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Udo Schiefner, rief die GDL zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. "Mein Appell ist ganz einfach: Das Streikrecht ist das eine, Verantwortungsbewusstsein ist das andere", sagte Schiefner der "Bild"-Zeitung.
GDL verweist auf bereits erzielte Tarifabschlüsse
Der bevorstehende Streik ist der fünfte Arbeitskampf im seit Monaten andauernden Tarifkonflikt. Die GDL fordert weiter die schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich für Beschäftigte im Schichtbetrieb. Die Gewerkschaft argumentiert, sie habe mit zahlreichen Mitbewerbern der Bahn bereits einen Kompromiss erzielt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Konzern einer ähnlichen Lösung verweigere. Angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels müsse die Bahn darüber hinaus ein Interesse daran haben, als Arbeitgeber attraktiver zu werden.
Die Einigungen mit den Bahn-Wettbewerbern stehen noch unter dem Vorbehalt, dass auch die Deutsche Bahn bei ihren Verhandlungen mit der GDL einer entsprechenden Arbeitszeitreduzierung zustimmt. Damit will die GDL erreichen, dass für alle Betroffenen dieselben Tarifkonditionen gelten.