Urteil des Bundesfinanzhofs Attac ist nicht gemeinnützig
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist in seiner bisherigen Struktur nicht gemeinnützig. Der Bundesfinanzhof urteilte, Attac versuche mit seinen Kampagnen die politische Meinung zu beeinflussen.
Der Trägerverein der Globalisierungsgegner Attac muss nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) mit dem endgültigen Entzug der Gemeinnützigkeit rechnen. Nach jahrelangem Rechtsstreit kommt das höchste deutsche Finanzgericht zu dem Schluss, dass zwar die unter Volksbildung zu fassende politische Bildungsarbeit als gemeinnützig gelte, nicht aber der Einsatz für allgemeinpolitische Forderungen zur Tagespolitik und dazu durchgeführte Kampagnen.
Auch Parteien nicht gemeinnützig
Der fünfte Senat verweist in der Entscheidung auf die Abgabenordnung, in der insgesamt 25 gemeinnützige Tätigkeitsbereiche festgelegt sind. Dazu zählen unter anderem der Sport, der Umweltschutz, die Wohlfahrt und die Volksbildung, nicht aber die Tagespolitik - auch Parteien sind im Steuerrecht nicht gemeinnützig.
Die Volksbildung, so das Gericht, müsse eigenständig und in "geistiger Offenheit" betrieben werden. Das sei bei Attac nicht der Fall. Der Trägerverein habe ganz konkrete Lösungsvorschläge zu bestimmten allgemeinpolitischen Themen durchsetzen wollen, etwa zum Sparpaket der Bundesregierung, der Bekämpfung der Steuerflucht oder zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Der BFH betonte ausdrücklich, dass es nicht um die politischen Inhalte von Attac gehe, sondern um die Grundsatzfrage, ob "allgemeinpolitische Tätigkeit" mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sein könne. Wie BFH-Präsident Rudolf Mellinghoff und seine Richterkollegen erläuterten, bedeutet das Urteil nicht, dass gemeinnützige Organisationen - etwa Umweltverbände - überhaupt nicht politisch aktiv sein dürfen. Im Vordergrund müsse aber der gemeinnützige Zweck stehen, nicht politische Kampagnen.
Spenden nicht absetzbar
Das Finanzamt hatte 2014 dem Attac-Trägerverein für die Jahre 2010 bis 2012, um die der Streit geht, die Gemeinnützigkeit entzogen. Das Finanzamt begründete das mit der allgemeinen politischen Tätigkeit, die nicht als gemeinnützig gelte. Seitdem stellt der Verein keine Spendenbescheinigungen mehr aus. Spenden können damit nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Die Organisation hatte in den Jahren nach der Finanzkrise unter anderem gegen die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank protestiert und eine Finanztransaktionssteuer gefordert.
In der ersten Instanz vor dem hessischen Finanzgericht im Jahr 2016 hatte Attac noch Recht bekommen. Diese Entscheidung hat der BFH in der Revision nun kassiert und das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun die Gemeinnützigkeit von Attac aus formalen Gründen erneut prüfen.
Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen und Mitbegründer von Attac Deutschland wertete die Entscheidung des Bundesfinanzhofs als "schwarzen Tag für die Demokratie". Denn die Entscheidung bedeute, "dass die Lobbyausgaben mächtiger Wirtschaftsunternehmen von der Steuer absetzbar sind, aber Spenden an Organisationen der kritischen Zivilgesellschaft in Zukunft nicht mehr gemeinnützig sind", sagte er im Gespräch mit tagesschau24. "Damit werden relevante Teile der kritischen Zivilgesellschaft in Rechtsunsicherheit gebracht."
Aktenzeichen: V R 60/17