Sparprogramm für desolaten Staat Athen befürchtet Unruhen
In Griechenland nehmen die Befürchtungen zu, es könne wegen des verordneten Sparprogramms zu Ausschreitungen kommen. Das Vertrauen in die Regierung, die Krise meistern zu können, ist gering. Schon heute soll es Arbeitsniederlegungen geben, nächste Woche dann Streiks.
Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Laut einer repräsentativen Umfrage der angesehenen konservativen Tageszeitung "Kathimirini" sind 80 Prozent der befragten Hellenen der Ansicht, dass ihrem Land in den kommenden Monaten "intensive Streiks" und "soziale Unruhen" bevorstehen.
Lediglich 40 Prozent der Griechen trauen demnach der Regierung von Ministerpräsident Jorgos Papandreou zu, die derzeitige Krise zu meistern. Kein Wunder, dass die Stimmung auf der Straße zwischen Aggression und Niedergeschlagenheit schwankt: "Es gibt Familien, die einfach nicht immer Geld haben, einzukaufen. Sie warten, bis sie wieder Geld haben und kommen dann und kaufen ein", berichtete eine Frau. "Wenn diese Regierung unser Weihnachts- und Ostergeld abschafft, dann wird dies die schlimmste, volksfeindlichste, barbarischste und schändlichste Regierungsentscheidung sein, die es seit der Gründung des Staates gegeben hat", sagte ein Mann.
Bereits am Dienstag wollen die Zoll- und Finanzbeamten ihre Arbeit niederlegen. Für nächste Woche Mittwoch haben die Gewerkschaften zu umfangreichen und landesweiten Streiks aufgerufen. Sie befürchten, dass die von der Regierung angekündigten Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor bis zu 20 Prozent betragen könnten.
Defizit soll bis 2012 massiv verringert werden
Vergangenen Donnerstag hatte sich Athen verpflichtet, seine Neuverschuldung bis 2012 unter die erlaubte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken. Die Maßnahme soll unter strenger Observation Brüssels sowie mit der Beratung von Experten der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds erfolgen. Bereits in diesem Jahr soll das Defizit, das im vergangenen Jahr 12,7 Prozent betrug, um vier Prozentpunkte gedrückt werden.
Am Sonntag hatte die "New York Times" berichtet, dass große US-Banken Griechenland geholfen hätten, seine wachsende Verschuldung zu verschleiern. Durch Finanzspritzen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar sei Athen ein Jahrzehnt lang in der Lage gewesen, die europäischen Stabilitätskriterien zu unterlaufen, hieß es. Diese Zuwendungen seien nicht als Kredite, sprich als Schulden, verbucht worden, sondern als Währungsgeschäfte.
Finanzminister beraten in Brüssel
Mit Spannung wird derzeit nach Brüssel geschaut, wo die Finanzminister der Eurozone und die der gesamten EU über ein weiteres Vorgehen gegenüber Athen beraten. Am Wochenende hatte sich der ehemalige Chefökonom der EZB, Otmar Issing, gegen weitere Finanzhilfen für Griechenland ausgesprochen. Das Land müsse sich selbst helfen, sagte er.
An der Ägäis allerdings kommentiert man solche Äußerungen mit Skepsis. Schließlich, so heißt es, säße man doch in einem gemeinsamen Boot. Und zudem, so die Zeitung "To Vima", böte die derzeitige Krise eine gute Gelegenheit, eine gemeinsame "Wirtschafts- und Finanzpolitik" innerhalb der EU zu schaffen.