Start des Ausbildungsjahres Noch viel Bewegung bei Azubi-Stellen
Fast 230.000 Ausbildungsstellen waren im Juli noch unbesetzt. Viele junge Menschen können jetzt noch eine Stelle finden. Branchenverbände mahnen: Betriebe müssen klarer machen, warum sie attraktive Arbeitgeber sind.
Viele junge Menschen starten gerade ihre Ausbildung. Dafür allerdings in die Handwerksbranche zu gehen - das haben immer weniger von ihnen vor. Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge speziell im Handwerk sinkt schon seit einigen Jahren.
Insgesamt sind im Juli noch rund 228.000 Ausbildungsstellen unbesetzt gewesen. Damit gab es im vergangenen Monat deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber, erklärte die Bundesagentur für Arbeit (BA). Auch wenn das Ausbildungsjahr bereits begonnen habe, könnten viele junge Menschen somit jetzt noch eine Stelle annehmen.
"Betriebe müssen eine gute Ausbildung bieten"
Malermeisterin und Präsidentin der Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main, Susanne Haus, sagt, dass die Betriebe sich zeigen müssten: "Betriebe können sich natürlich attraktiv darstellen über soziale Medien als guter Ausbildungsbetrieb. Die Betriebe müssen sich ein bisschen an die eigene Nase fassen und auch eine gute Ausbildung bieten, was aber viele auch tun."
Auch Studienabbrecher seien als Zielgruppe für das Handwerk spannend, so Susanne Haus. In der Handwerksbranche besteht derzeit der größte Mangel an Fachkräften. Laut Zahlen des Bundesarbeitergeberverbands der Personaldienstleister ist die Zahl der freien Stellen in der Branche im ersten Halbjahr 2023 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum mit rund 24 Prozent am stärksten gestiegen.
Laut Haus zeigt sich in der Handwerksbranche ein vielfältiges Bild. "Es gibt sehr viele junge Menschen, die sehr engagiert sind, die interessiert sind. Viele bringen aber von zu Hause aus vielleicht nicht so die Talente mit, die man im Handwerk braucht. Aber das Handwerk war schon immer dafür bekannt, ein bisschen schwächere Menschen mit einzubinden, zu integrieren."
Auslandsaufenthalt kann Lehre bereichern
Eine Möglichkeit, eine Ausbildung im Handwerk attraktiver zu machen, ist es, eine Zeit der Lehre im Ausland zu verbringen. Bis zu einem Viertel der Ausbildungszeit könnte ein Azubi zum Beispiel in einer Bäckerei in Frankreich verbringen - Croissants backen statt Brötchen. Der Auslandsaufenthalt wird allerdings nicht vom Arbeitgeber bezahlt - auch nicht von dem im Ausland. Stipendien können hier überbrücken.
Für jene, die ihre Ausbildung lieber in der Region machen wollen, könnten auch die Familienunternehmen attraktiv sein. Immer noch eine wichtige Säule der Wirtschaft. Doch auch dort werden die Klagen über den Fachkräftemangel immer lauter.
Fachkräftemangel bedroht den Standort Deutschland
Die Präsidentin des Wirtschaftsverbands "Die Familienunternehmer", Marie-Christine Ostermann, sorgt sich um den Standort Deutschland. "Ich sehe ja absolut die politische Verantwortung. Ich finde, dass der Standort Deutschland einfach nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Die Kosten sind hier einfach viel zu hoch. Die Steuern sind zu hoch, müssten dringend gesenkt werden, sowohl für die Arbeitnehmer denn auch ausländische Hochqualifizierte. Fachkräfte wollen nicht nach Deutschland kommen, weil die Steuern und Abgaben einfach zu hoch sind."
Man müsse, so Ostermann, dringend auf eine Angebotspolitik umschalten. Ostermann sieht da die Politik am Zug. Doch auch die Unternehmen selbst müssen sich attraktiv machen, Perspektiven bieten. Denn der Berufsbildungsbericht vom Bildungsministerium zeigt: Jeder Vierte bricht die Lehre ab, wechselt den Betrieb oder fängt die Ausbildung trotz unterschriebenen Vertrags gar nicht erst an. Wenn Vorstellung und Realtität auseinanderklaffen, wächst die Unzufriedenheit im Kleinen und damit auch die Lücke der Fachkräfte im Großen.