Attraktiv für Osteuropäer In Deutschland locken höhere Löhne und Jobs
Deutschland öffnet seinen Arbeitsmarkt für alle EU-Bürger aus Osteuropa. Einige fürchten eine Abwärtsspirale bei den Löhnen. Andere hoffen auf Abhilfe gegen den Fachkräftemangel. Klar ist: Der deutsche Arbeitsmarkt lockt mit höheren Löhnen als in Osteuropa.
Der deutsche Arbeitsmarkt ist vor der anstehenden Öffnung für EU-Bürger aus Osteuropa ein attraktiveres Ziel als viele andere Staaten in Europa. Das Lohnniveau in der Bundesrepublik war nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts zuletzt das fünfthöchste in der Europäischen Union. Zugleich lag Deutschland 2010 in der Rangliste der Staaten mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten hinter Österreich, Luxemburg, den Niederlanden, Zypern und Malta auf dem sechsten Platz. Das Ende der eigenen Arbeitslosigkeit und bessere Verdienstmöglichkeiten seien wichtige persönliche Anreize für Arbeitsmigration, erklärten die Statistiker. Deshalb sei Deutschland attraktiv für Arbeitnehmer aus anderen Ländern.
Ab dem 1. Mai muss die Bundesrepublik den Bürgern aus acht osteuropäischen Staaten, die 2004 der EU beitraten, die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit gewähren. Das bedeutet, dass auch Polen, Tschechen, Ungarn, Slowaken, Slowenen, Esten, Letten und Litauer ohne jegliche Beschränkung in Deutschland arbeiten und sich hier niederlassen dürfen. In den vergangenen sieben Jahren hatte die Bundesregierung den deutschen Arbeitsmarkt auf der Grundlage von Übergangsregelungen noch weitgehend abgeschottet, um den Konkurrenzdruck durch billigere Arbeitskräfte aus Osteuropa zu minimieren.
Hunderttausende Arbeitsmigranten erwartet
Mit Auslaufen der Übergangsfrist besteht vor allem bei Gewerkschaften die Sorge, dass es in Deutschland zu einer Abwärtsspirale bei den Löhnen kommen könnte. Arbeitgeber betonen dagegen die Chancen, durch die Zuwanderung von Arbeitskräften dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können. Allerdings lässt sich bislang nur schätzen, wie viele Osteuropäer in Deutschland Arbeit suchen werden. Einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge dürften es 2011 und 2012 etwa 800.000 Menschen sein. Danach werde die Zahl merklich sinken. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, rechnet mit bis zu 140.000 Zuwanderern im Jahr, die Bundesregierung mit etwa 100.000 jährlich.
Schon 2010 wohnten und arbeiteten 425.000 Menschen aus den betroffenen acht osteuropäischen Staaten in Deutschland. 315.000 davon waren Polen. Sie bildeten damit nach den 365.000 Italienern die zweitgrößte Gruppe von Beschäftigten aus anderen EU-Staaten auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Löhne in Osteuropa vielfach zwei Drittel niedriger
Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, dass das Lohnniveau in der Bundesrepublik weit höher liegt als in den betroffenen acht osteuropäischen Staaten. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Kaufkraft erreicht Slowenien im Vergleich noch den besten Wert bei den Bruttoverdiensten pro Monat und liegt bei 67 Prozent des deutschen Niveaus. Polen kommt nur auf 44 und Tschechien auf 45 Prozent der deutschen Verdienste. Arbeitnehmer der anderen fünf Staaten verdienen sogar nur zwischen 31 und 39 Prozent der im deutschen Durchschnitt üblichen Summe.
Hinzu kommt ein deutliches Gefälle bei den Arbeitslosenquoten. Diese lagen 2008 - neuere Vergleichszahlen fehlen noch - in den acht osteuropäischen EU-Staaten durchweg höher als in Deutschland. Minimal war der Unterschied dabei lediglich im Vergleich mit Slowenien und Tschechien. Dagegen meldeten Lettland, Litauen, Estland und auch die Slowakei Arbeitslosenquoten, die mehr als doppelt so hoch waren wie in der Bundesrepublik.