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Wetterthema Zur Vorhersagbarkeit der Windstärke

Stand: 01.02.2023 09:57 Uhr

Zur Vorhersagbarkeit der Windgeschwindigkeit

Große Bedeutung hat die Vorhersage der Windgeschwindigkeit vor allem bei Sturmwetterlagen. Aber auf welche Schwierigkeiten stößt man bei ihrer Prognose?

Von Rainer Behrendt

Für die Wettervorhersage kommen heutzutage in großem Maße aufwendige Computermodelle zum Einsatz. Was die Prognose der Intensität und Lage von Hoch- und Tiefdruckgebieten angeht, sind sie mittlerweile in aller Regel ziemlich treffsicher. Damit kündigen sich etwa Sturmentwicklungen bereits viele Tage im Voraus an. Nichtsdestotrotz ist vor allem die regionale Prognose des Windes im Flachland und überdies der Windböen nicht ganz einfach. Das hat mehrere Gründe, die im Folgenden näher beleuchtet werden.

Im Allgemeinen nimmt der Wind vom Erdboden bis in etwa 1,5 Kilometer Höhe stetig zu. In den Niveaus darüber, in der sogenannten freien Atmosphäre, bläst er hingegen ungestört. Das heißt, ein Einfluss der Erdoberfläche ist dort nicht mehr gegeben. Zwischen Erdboden und freier Atmosphäre liegt die atmosphärische Grenzschicht, in welcher die Luftströmung infolge der Rauigkeit der Erdoberfläche eine Bremswirkung erfährt. Den Wind in der freien Atmosphäre sagen die Wettermodelle gewöhnlich sehr gut vorher, weniger zuverlässig aber jenen innerhalb der Grenzschicht.

Die Charakteristika der Topographie, das heißt beispielsweise, wie sich Berge und Täler gestalten, wo Städte liegen, wo sich Wälder und Seen befinden, können die Wettermodelle nur begrenzt abbilden. Das alles beeinflusst die Stärke der Reibung, der die Strömung unterliegt, und damit die Windgeschwindigkeit nahe der Erdoberfläche.

Weiterhin hängt die Geschwindigkeit des Windes von der Stabilität der Luftschichtung ab. Ein Maß für diese Stabilität stellt der vertikale Temperaturgradient dar, das bedeutet die Änderung der Lufttemperatur mit der Höhe. Im Allgemeinen nimmt die Temperatur mit wachsender Höhe ab. Je stärker das geschieht, desto instabiler ist die Luft geschichtet und umso leichter kann Bewegungsimpuls aus der freien Atmosphäre in Richtung Erdboden transportiert werden. Der stärkste Impulstransport findet hierbei im Umfeld von Schauern und Gewittern statt. Die Vorhersage der vertikalen Temperänderung unterliegt gewissen Fehlern, vor allem aber lassen sich Schauer und Gewitter nicht zuverlässig als individuelle Ereignisse prognostizieren. Man kann hier lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen für bestimmte Zeiträume und Gebiete treffen.

Also selbst, wenn die Strömung in der freien Atmosphäre perfekt prognostiziert würde, in die Modellberechnungen die Strukturen der Erdoberfläche vollständig Eingang fänden und der vertikale Temperaturgradient exakt abgebildet würde, wäre im Speziellen eine Vorhersage der Windböen für einen bestimmten Ort und ein enges Zeitfenster nicht möglich. Das liegt grundsätzlich an der turbulenten und damit chaotischen Eigenschaft der Atmosphäre und vor allem gerade der reibungsbehafteten Grenzschicht.

Wirbel unterschiedlicher Größe transportieren innerhalb der Grenzschicht Impuls aus der freien Atmosphäre in Richtung Erdboden. Sie entstehen und zerfallen fortwährend und sorgen damit für die Böigkeit des Windes. Einzelne Wirbel sind als Zufallsereignis zu betrachten, vergleichbar mit dem Ergebnis von einem Mal würfeln. Wie man erst nach vielen Würfen das Auftreten einer bestimmten Augenzahl mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten kann, werden sich erst nach einem ausreichend langen Zeitraum oder in einem entsprechend großen Gebiet genügend Wirbel finden, um das Potential der Luftströmung hinsichtlich der Windböen voll auszuschöpfen. Nur unter dieser Bedingung lassen sich Aussagen über die zu erwartenden maximalen Windböen treffen. In der Regel gelingt es, für den nächsten Tag und ein Gebiet, etwa mit der Ausdehnung eines Flächenbundeslandes, die stärksten Windböen auf plus/minus eine Beaufort-Windstärke genau zu prognostizieren.