Die Sonne scheint zwischen Wolken hindurch.
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Siebenschläfer-Regel Wie wird unser Sommer 2024?

Stand: 02.07.2024 11:38 Uhr

Seit Wochen erleben wir ein Auf und Ab bei den Temperaturen und viele können allmählich keinen Regen mehr sehen. Der Juli beginnt nun unterkühlt, nachdem am zurückliegenden Wochenende zum Teil Unwetter schwüle und schweißtreibende Hitze verdrängt haben. Warum ist es derzeit so wechselhaft? Was hat es mit der Siebenschläfer-Regel auf sich? Wie sieht ein normaler Sommer bei uns aus und was können wir von jenem 2024 erwarten?

Von Stefan Laps, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Seit Wochen und Monaten bestimmen immer wieder Tiefdruckgebiete unser Wetter. Sie schaffen es auf verschiedenen Wegen und in unterschiedlichen Ausprägungen zu uns nach Deutschland. Im Zuge der Erderwärmung beobachten wir Meteorolog*innen häufiger, dass Wetterlagen über einen längeren Zeitraum beständig sind. Vor ein paar Jahren lagen wir mehrheitlich unter Hochdruckeinfluss, was unter anderem 2018 zu extremer Dürre führte. Vor allem seit Herbst 2023 ist unser Wetter überwiegend tiefdruckgeprägt, was sich seither auch häufig in zu nassen Monaten widerspiegelte.

Darüber hinaus befinden wir uns derzeit in der Siebenschläfer-Phase, auch wenn der gleichnamige Lostag schon am 27. Juni war. Die Bauernregel besagt: „Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag.“ Durch die gregorianische Kalenderreform ist dieser Lostag eigentlich erst eine Woche später. Wir Meteorologen schauen uns generell die letzte Juni- und ersten ein bis anderthalb Juliwochen genauer an. Die Großwetterlage, die sich zu dieser Zeit einstellt, hat das Potenzial bis weit in den August hinein mehr oder weniger beständig zu bleiben. Die Eintreffwahrscheinlichkeit dieser Siebenschläfer-Regel ist hoch und liegt im Norden Deutschlands bei rund 55, im Süden sogar bei 70 bis 80 Prozent. Warum ist das so?

Hohes Eintreffen der Siebenschläfer-Regel

Das hängt mit dem Sonnenstand zusammen. Im Sommer unserer Nordhemisphäre sind die Temperaturunterschiede zwischen Nordpol und Äquator am geringsten. Folglich ist der Höhenwind schwächer unterwegs als im Winter. Hat sich also erstmal ein grundsätzliches Strömungsmuster eingependelt, ändert sich daran oft nicht viel. Wir haben also einerseits durch die Erderwärmung häufiger persistente Wetterlagen, andererseits sind diese zu dieser Jahreszeit ohnehin wahrscheinlicher.

Die letzte Juniwoche brachte sowohl mäßig warmes als auch drückendes, schwül-heißes Wetter mit kräftigen Schauern und Gewittern, zum Teil auch mit Unwettern. Zumindest bis Mitte der ersten Juliwoche haben wir es erstmal mit deutlich zu kühlem Schauer- oder Regenwetter zu tun: Verbreitet verweilt die Temperatur tagsüber unter 20 Grad. Richtung erstes Juliwochenende wird es zwar wieder wärmer, Schauer und einzelne Gewitter stehen aber weiterhin auf dem Wetterfahrplan sowie windige Verhältnisse in Norddeutschland.

Was heißt das nun für den Sommer 2024?

Wenn wir eins und eins zusammenzählen, dann wird schnell deutlich, dass unser Sommer 2024 weiterhin wechselhaft bleibt. Wir werden beides erleben, sowohl kühle oder nur mäßig warme und immer wieder nasse Phasen als auch warme und trockene, schnell aber auch wieder schwüle und gewittrige Episoden.

Dies wäre zudem endlich mal wieder ein typisch mitteleuropäischer Sommer, denn der ist eigentlich von Wechselhaftigkeit geprägt. Wir liegen in der gemäßigten Klimazone und nicht in der subtropischen. Nach den vergangenen Jahren hat sich unsere Erwartungshaltung verschoben. Hierzulande sind 30, 35 oder gar 40 Grad eben nicht normal, ebenso wenig wie wochenlang strahlender Sonnenschein und trockenes Wetter.

Nichtsdestotrotz verändert sich die Wechselhaftigkeit durch die Klimaerwärmung. Da sich lange persistente Wetterlagen häufen, gehört zum neuen "Normal", dass wir künftig häufiger deutlich zu heiße und trockene oder deutlich zu nasse und kühlere Sommer bekommen. Die Extreme nehmen zu.

Für unseren hiesigen Sommer kommt es darauf an, auf welcher Seite der Tiefdruckgebiete wir liegen. Ein stabiles Azorenhoch und Tiefs zwischen Island und Skandinavien – eine Konstellation wie wir sie derzeit, Anfang Juli, haben – bringt uns in Deutschland kühle Nordatlantikluft. Tiefausläufer lassen immer wieder Schauer oder auch mal längeren Regen zu. Gelangen wir dagegen auf die Vorderseite von Tiefs über Großbritannien, der Biskaya oder Frankreich, dann weht heiße Luft aus Nordafrika oder der Mittelmeerregion zu uns. Wo das Mittelmeer seine Finger im Spiel hat, wird es schnell schwül und wo Tiefs in der Nähe sind, drohen schnell wieder Schauer und Gewitter, zum Teil auch Unwetter.

Tief über Großbritannien und Hoch über Osteuropa bringen heiße Luft aus Nordafrika und Mittelmeerraum. Azorenhoch und Islandtief bringen kühle oder nur mäßig warmes Sommerwetter.

Auch die Klimavorhersagen des Deutschen Wetterdienstes stützen nach einer tendenziell zu kühlen ersten Julihälfte eine wärmere zweite. Doch auch jene liefert Hinweise auf eher nasse Bedingungen, was wiederum Schauer, Gewitter und lokale Unwetter vermuten lässt. Immerhin deuten die Langzeitberechnungen für August und September derzeit noch warme und etwas trockenere Verhältnisse an.

Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn sich die Großwetterlage im Spätsommer und Frühherbst umstellt; vor allem dann, wenn ehemalige Hurrikans in unsere Zirkulation eingebunden werden. Aus ihnen können außertropische Sturmtiefs werden und ein Hoch über Mitteleuropa stützen. Sie bringen uns nicht selten einen sonnigen, trockenen und warmen Spätsommer.

Wir müssen es natürlich nehmen, wie es kommt. Und sofern Unwetter nicht gerade Ortschaften fluten oder die Wasserstände an den Pegeln unserer Flüsse so stark ansteigen, dass es großflächige Überschwemmungen gibt, so hat der regelmäßige Regen etwas Gutes: Die Natur sprießt so intensiv wie lange nicht, auch Trockenheit und Dürre sowie Wassermangel sind weitgehend kein Thema. Auch wenn der Juni regional vor allem im Osten zu trocken war, so geht es den Böden und Grundwasserspiegeln in weiten Teilen Deutschlands gut.

Dienstag, 2. Juli 2024