Anhänger der PVV von Geert Wilders jubeln nach Bekanntgabe der Hochrechnung.
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Parlamentswahl Die Niederländer hatten einfach die Nase voll

Stand: 23.11.2023 07:01 Uhr

Der Wahlsieg des Rechtspopulisten Wilders sei eine radikale Absage an das, was war, meint Andreas Meyer-Feist. Die Wähler hätten die Nase voll von ihren Politikern. Das sollte auch eine Warnung für Deutschland sein.

Eines macht dieses politische Erdbeben klar: Die Niederländer wollen keinen Premierminister, der seine Verantwortung abgibt, um nach einem noch schöneren Posten zu schielen. Im Sommer hatte Mark Rutte den Niederländern quasi über Nacht gekündigt, um das Feld jetzt sehenden Auges einer Kraft zu überlassen, die bisher zu schwach war, um zu regieren, und zu radikal.

Das hat sich geändert. Im Wahlkampf war Geert Wilders omnipräsent. Mit geschliffener Rhetorik überdeckte er die radikalen Kanten von einst. Er umgarnte geschickt die bisherige, nach eigenem Bekunden liberale Regierungspartei, die sich zeitweise geradezu umschmeichelt fühlen musste von Wilders.

Wilders wird alles tun, um an die Macht zu kommen

Nun hat Wilders Oberwasser. Und er wird alles tun, um an die Macht zu kommen, um sich als Realpolitiker neu zu erfinden. Er wird sich nicht in die zweite Reihe abschieben lassen.

Das Wahlergebnis ist eine radikale Absage an das, was war. Es zeigt überdeutlich: Die Wählerinnen und Wähler haben zuletzt wenig bis nichts von ihren politischen Führungskräften gehalten, die sie mit Sprunghaftigkeit und Nichtstun enttäuscht haben. Die gesamte Mittelschicht wurde mit ihren Problemen ignoriert. Familien wurden auf dem überteuerten Wohnungsmarkt im Stich gelassen, und nicht einmal kleinste Reformen bei der Migration waren möglich. Anstatt gerade in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten, haben sich die Koalitionäre in den Niederlanden auseinanderdividiert. Dafür gab es jetzt die Quittung.

Unwürdig war das Schauspiel, das ein Christdemokrat geboten hatte. Seine alte Partei hatte er Hals über Kopf verlassen, um eine eigene aufzumachen, deren anmaßender Name "Neuer Gesellschaftsvertrag" jenen politischen Autismus versinnbildlicht, von dem viele Niederländer die Nase voll haben.

Ein Warnschuss für Deutschland und Europa

Das Wahlergebnis ist ein Warnschuss auch für Deutschland, auch für Europa. Bei uns steht eine nicht weniger komplizierte Koalition nah am Abgrund. Gerade in schwierigen Zeiten müssen Lösungen gesucht und gefunden werden. Gerade dann muss man sich zusammenreißen.

Ob ein Premierminister Wilders gestoppt werden kann, hängt von der Fähigkeit der anderen Parteien ab, etwas Gemeinsames dagegenzusetzen. Bisher gab es Koalitionen, die für etwas sein sollten. Nun sollen es Gegen-Koalitionen sein, die an ihren Ansprüchen schon bisher krachend gescheitert sind.

Nicht ausgeschlossen, dass Wilders Premier wird in einer Minderheitsregierung. Die anderen Parteien müssen wohl aufhören, Wilders stoppen zu wollen. Am Ende müssen sie sich mit ihm arrangieren, ob sie wollen oder nicht.

Andreas Meyer-Feist, ARD Brüssel, tagesschau, 23.11.2023 06:17 Uhr
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