Chinakritiker siegen bei Taiwan-Wahl Ein Fingerzeig, nicht nur für China
Zum dritten Mal in Folge gewinnt in Taiwan die Demokratische Fortschrittspartei die Wahl. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Taiwaner sich nicht dem Druck Chinas beugen wollen. Doch überragend ist das Ergebnis nicht.
Acht Jahre lang hat Taiwans scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen standgehalten. Dem starken Nachbarn China geschickt die Stirn geboten. Den Status Quo ihres Landes verteidigt und sich keinem Druck gebeugt. Für die Fortsetzung dieser Politik gaben ihr vor vier Jahren mehr als 50 Prozent der Taiwanerinnen und Taiwaner ihre Stimme. Mit der jüngsten Wahl hat sich das Volk deutlich dafür ausgesprochen, dass es an diese Politik glaubt, sie für den besten Weg im Umgang mit der Volksrepublik China hält.
Trotz aller Militärmanöver, wirtschaftlicher Sanktionen, Hackerangriffe und vielem anderen haben sich die Bürger Taiwans nicht beirren lassen. Das ist beachtlich für eine noch so junge Demokratie. Zugleich zeigt diese Wahl einmal mehr: Demokratie und Regierungsverantwortung sind keine Selbstläufer, sondern müssen täglich und Jahr für Jahr neu erkämpft werden.
Kein überragendes Ergebnis eingefahren
Taiwan ist vielleicht mit dieser Wahl in der demokratischen Realität angekommen. Der designierte künftige Präsident William Lai hat zwar gesiegt, aber überragend ist sein Ergebnis nicht. Noch dazu hat seine Demokratische Fortschrittspartei ihre Mehrheit im Parlament verloren. Sie wird sich künftig mit der Opposition auseinandersetzen müssen und dort vor allem mit der Volkspartei, die quasi aus dem Stand im Parlament nun zum Zünglein an der Waage werden könnte.
Vor allem junge Wählerinnen und Wähler haben dem Kandidaten ihre Stimme gegeben. Sie fühlen sich oft zu wenig gehört, ihre Belange wie hohe Immobilienpreise, stagnierende Löhne und Gehälter sowie soziale Ungleichheit wurden nicht ernst genug genommen. Und wenn das so ist, verhalten sich die Jungen damit jetzt wie die Jugend in anderen Ländern der Welt: Dann wird eine andere Partei gewählt. Sie sind weniger ideologisch orientiert als ihre Eltern, weil sie sich Freiheit und Demokratie nicht erkämpfen mussten. Das hat die Demokratische Fortschrittspartei unterschätzt und einen Denkzettel kassiert.
Mehr Dialog mit China
Sich nur auf den Konflikt mit China zu konzentrieren, reicht nicht, und die harte Haltung verfängt auch nicht mehr automatisch. Die Wahl ist deshalb von anderen Themen abgesehen auch ein Fingerzeig für mehr Dialog mit China. Der künftige Präsident Lai hat diesen Wink verstanden und in seiner Dankesrede an die Volksrepublik appelliert, miteinander ins Gespräch zu kommen. Zum Wohle der Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstraße.
Die Volksrepublik hat in einer ersten Reaktion mildere Töne angeschlagen. Vielleicht hat auch sie verstanden, dass ein "Weiter so" nichts bringt, die Taiwanerinnen und Taiwaner davon sogar ziemlich unbeeindruckt geblieben sind. Oder um es noch deutlicher zu sagen: Den Menschen in Taiwan ist es ziemlich wurscht, solange es keinen Krieg gibt.