Steuervorschläge Lindners Alleingang in Europa
In der Energiekrise gibt es Forderungen nach einer Übergewinnsteuer für Unternehmen, die von gestiegenen Energiepreisen profitieren. Finanzminister Lindner lehnt das ab - und befindet sich damit auf einem Alleingang in Europa
Überall in Europa braucht man derzeit Geld. Vor allem das, was man öffentliche Hand nennt, braucht Geld. Die Staaten also - denn sie müssen irgendwie den Energiepreisschock abfedern, beim Gas ganz besonders. Weil viele Millionen Menschen ihre Heizkostenrechnung nicht mehr werden bezahlen können, die sich verdoppelt, verdreifacht oder noch mehr.
In Brüssel sprechen sie angesichts dessen von einer Alptraumsituation: Denn in Italien erstarkt schon wieder die populistische Rechte - alles starrt gebannt darauf, wer dort als nächstes an die Regierung kommt; in Frankreich sind es die Gelbwesten, die sich schon formieren, auch in Deutschland dürfte man Rechtsaußen versuchen, aus der aufgeheizten Lage politisch Kapital zu schlagen.
Übergewinnsteuer: für Lindner offenbar Teufelszeug
Immerhin: Viele europäische Länder versuchen wenigsten diejenigen, die vom Ukraine-Krieg jetzt finanziell auch noch profitieren, zur Kasse zu bitten. Damit Geld reinkommt, was zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte so dringend notwendig ist: per Übergewinnsteuer. Spanien macht es, Belgien, Italien; und das nicht-mehr-EU-Land Großbritannien - eigentlich ja immer Vorreiter einer liberalen Wirtschafts- und Finanzpolitik - macht es auch. 25 Prozent zusätzliche Steuerlast von Öl- und Gas-Multis.
Und Deutschland? Für den liberalen Bundesfinanzminister Christian Lindner ist so etwas offenbar Teufelszeug. Steuern dürfe man jetzt nicht erhöhen, sagt er, sondern: Man müsse sie senken. Für diejenigen, die wenig oder beinahe nichts haben, ist das sicher richtig. Aber alle anderen? Spitzenverdiener, profitable Unternehmen oder eben Konzerne, die derzeit Krisengewinner sind? Warum sollten sie sich jetzt nicht finanziell angemessen beteiligen müssen an den explodierenden Energiekosten? Ja: Damit die Wut nicht hochkocht im Herbst und im Winter nicht kommt, was viele schon befürchten: Soziale Unruhen.
Entlastungen vor allem für Reiche und den Mittelstand
Christian Lindner ist das offensichtlich nicht so wichtig. Oder er mag sich das nicht vorstellen. Also begnügt er sich damit, das Steuerniveau in der Bundesrepublik anzupassen an die Inflation, was bedeutet: Er entlastet vor allem die Reichen und den Mittelstand, ohne den wirklich Bedürftigen nennenswert zur Seite zu springen. Denn der Spitzensteuersatz greift später, es gibt einen höheren Grundfreibetrag und ein paar magere Euro mehr Kindergeld. Und die Reichensteuer wird nicht erhöht.
Das mag FDP-Wählerinnen und Wählern gefallen. Aber es passt nicht. Es passt nicht in ein Europa, das sich jetzt solidarisch zeigen muss, um zusammen zu halten, es passt nicht in eine Koalition, in der Grüne und SPD stärker sind - und schon gar nicht passt es in die Zeit. Man kann nur hoffen, dass irgendjemand diese Pläne ganz schnell wieder einkassieren wird.
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