Lambrechts Neujahrsvideo Dieser Fehltritt wiegt schwerer als andere
Verteidigungsministerin Lambrecht stand bereits mehrfach in der Kritik - aber ihr Neujahrsvideo ist schlicht empörend. Die Ministerin muss sich entschuldigen - oder zurücktreten.
Berlin am Silvesterabend, erste Feuerwerkskörper steigen auf. Eine Frau steht im himmelblauen Blazer an einer Kreuzung, im Hintergrund sind die DDR-Protzbauten rund ums Frankfurter Tor zu erahnen. Ein beliebtes Motiv - für Hauptstadttouristen und Modefotografen.
Jetzt hat auch die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt der Bundeswehr den Ort entdeckt: Als Kulisse für ein Neujahrsvideo, das Christine Lambrecht am Wochenende ins Internet gestellt hat. Die Verteidigungsministerin hielt es offenbar für eine gute Idee, auf diesem Weg ihre Neujahrswünsche unters Volk zu bringen. Doch Machart und Inhalt des Videos sind verstörend. So verstörend, dass sich spätestens jetzt die Frage stellt, ob Lambrecht ihrem Amt gewachsen ist.
Laute Böller und zerzauste Haare
Schon auf den ersten Blick irritiert die Form, die die SPD-Politikerin gewählt hat. Stellenweise ist sie kaum zu verstehen, weil die Silvesterböller so laut sind. Offenbar hat ihr niemand gesagt, dass in solchen Situationen ein Ansteckmikro ratsam ist. Dann ist da noch der Wind, der das Haar der Ministerin zerzaust. Und das Bild schwankt hin und her. Wer auch immer das Video gedreht hat, hatte keine ruhige Hand.
Ein durch und durch unprofessioneller Auftritt, wie er einer Ministerin eigentlich nicht passieren darf. Schlimmer aber als die Form ist das, was Lambrecht in dem Video sagt. Sie spricht darin den Krieg in der Ukraine an. Und erwähnt dann gleich - Zitat - "ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte". Nicht zu vergessen die "viele[n] Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen". Man hört das und denkt: Es geht doch um einen Krieg, nicht um ein Vernetzungstreffen. Aber sie sagt das wirklich so.
Mangel an Empathie
Kein Wort zu den Opfern dieses Krieges, nichts zu den Geflüchteten. Viele von ihnen verbringen diesen Silvesterabend auch in Berlin. Auch sie hören den explosionsartigen Krach, den die Böller verursachen. Aber das dürfte Menschen aus der Ukraine an etwas anderes erinnern als an besondere Eindrücke und tolle Begegnungen.
Die Ministerin offenbart mit diesem Video einen Mangel an Empathie, der fassungslos macht. Deshalb wiegt dieser Fehltritt schwerer als andere tatsächliche oder vermeintliche Pannen. Sei es das Foto ihres Sohns an Bord eines Bundeswehr-Hubschraubers, seien es erwartbare Schwierigkeiten bei dem Versuch, die kaputtgesparte Bundeswehr von jetzt auf gleich zu modernisieren: Das alles verblasst angesichts dieser Entgleisung zum Jahresauftakt.
Lambrecht muss sich dafür entschuldigen - oder ihr so wichtiges Amt anderen überlassen.