Verfassungsgericht zu Künast Harte Kritik ja - aber keine Pöbeleien
Bürger dürfen Politiker kritisieren - aber es gibt Grenzen. Wenn Politiker im Netz unflätig beschimpft werden, muss es einen besseren Schutz für sie geben. Es ist gut, dass das Gericht Warnlampen aufgestellt hat.
Das ist für die vielen Gerichte, die im Alltag über Beleidigungen entscheiden müssen, wirklich nicht ganz leicht. Welche Beschimpfung ist auszuhalten, welche darf bestraft werden?
Dem Bundesverfassungsgericht wurde schon häufig vorgeworfen, es sei zu liberal, es lasse zu viel zu. Tatsächlich hat das Karlsruher Gericht in der Vergangenheit immer wieder die Meinungsfreiheit betont: Öffentliche Auseinandersetzung muss möglich sein. Je mehr eine Äußerung zur Meinungsbildung beiträgt, um so eher muss sie zugelassen werden.
Andere Grenzen bei Politikern
Und die deutschen Verfassungsrichter haben sich auch an dem orientiert, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ganz regelmäßig betont hat: Die Grenzen sind bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Bürgerinnen und Bürger müssen Amtsträger bei der Ausübung von Macht kritisieren dürfen. Auch massiv. Ohne gleich mit Strafverfahren überzogen zu werden.
Diese Linie ist richtig, insbesondere wenn man bedenkt, wie schnell man in anderen Ländern etwa wegen Beleidigung des Präsidenten im Gefängnis landen kann. Die Gesellschaft kann stolz darauf sein, wenn bei ihr heftig um eine wichtige Frage gerungen wird und wenn sich viele beteiligen. Dabei kann sie auch gelassen bleiben, falls manche, die dabei mitmachen, sich im Tonfall vergreifen.
Das Gericht wird bei Politikern wachsamer
Trotzdem gibt es Grenzen - und wo die verlaufen, war angesichts der fein ziselierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht immer leicht zu erkennen. Seit dem Beschluss in Sachen Renate Künast ist jetzt klar: Bei Politikern wird das Gericht jetzt wachsamer. Zu Recht schreiben die drei Karlsruher Richter: Es kann nicht erwartet werden, dass sich jemand für Staat und Gesellschaft engagiert, wenn er nicht genügend geschützt wird.
Immer wieder ist von Kommunalpolitikerinnen oder Landtagsabgeordneten zu hören, die aufgeben, weil sie nicht mehr im Netz unflätig beschimpft werden wollen. In Zeiten des Internets, wo jedes böse Wort massenhaft kursiert und kaum mehr aus der Welt zu schaffen ist, muss es einen besseren Schutz für die Opfer geben.
Keine verrohten Pöbeleien
Die Worte "Schlampe" oder "geisteskrank" kann eine Politikerin wie Künast zwar mit einem Achselzucken übergehen. Nur auf Dauer zermürbt der unflätige Ton. Dazu kommt die Angst, dass aus bedrohlichen Worten mal Taten werden. Die Gesellschaft tut gut daran, hier Warnlampen aufzustellen: Harte sachliche Kritik, ja bitte. Aber verrohte Pöbeleien lassen wir nicht zu.
Es ist sicher für manche ein langer Lernprozess: Auch wer völlig allein an seinem Computer sitzt, kann da draußen andere Menschen treffen und schwer verletzen. Für dieses Lernen braucht es die Gerichte und eine deutliche Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts.
Demokratie leidet, wenn Ton zu rau wird
Natürlich besteht weiterhin die Gefahr, dass die Meinungsfreiheit leidet, wenn der Staatsapparat überreagiert und beleidigt auf nur kleine Ausrutscher reagiert. Das kommt immer wieder vor: Regelmäßig landen zum Beispiel Fälle vor Gericht, wo Strafgefangene in rüden Briefen über die Anstaltsleitung herziehen und dafür bestraft werden sollen. Da ist sicher mehr Gleichmut angebracht.
Aber die Demokratie leidet auch, wenn der Ton im Internet zu rau wird und sich zu viele aus Angst vor Pöbeleien aus der öffentlichen Debatte zurück ziehen.