Kompromiss zum EU-Stabilitätspakt Mogelpackung statt des großen Wurfs
Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident haben ihren Kompromiss zum Stabilitätspakt als Erfolg präsentiert. Nur aus Schweden kommt dazu Widerspruch. Der Kompromiss ist bei genauer Betrachtung eine Mogelpackung, meint Birgit Schmeitzner. Der Schwur der EU-Staaten, ein zweites Fiasko wie im Fall Griechenland zu verhindern, verblasst.
Von Birgit Schmeitzner, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten ihren großen Auftritt: Sie hatten ihre Erfolgsmeldung über einen strengeren Stabilitätspakt. Doch jetzt geht es an die Detailarbeit. Und die ist nicht Sache der zwei großen EU-Länder Deutschland und Frankreich, die geht alle Mitgliedsländer an.
EU-Kommission kann keinen Zugzwang aufbauen
Was gestern Abend mit großem Pomp verkündet wurde, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als juristisches Dickicht - das weit weniger Verschärfung zulässt als gedacht. Wenn es darum geht, einen Schuldensünder zur Ordnung zu rufen, ihn gar zu bestrafen, soll das zwar schneller gehen als bisher. Doch die EU-Kommission kann keinen wirklichen Zugzwang aufbauen: Der Rat der Finanzminister hat an einer entscheidenden Stelle nach wie vor den Daumen drauf. Wenn die obersten Kassenhüter der Ansicht sind, dass ein Land schon genügend Sparwillen zeigt, fallen Sanktionen flach - unabhängig davon, wie die Kommission als eher neutrale Stelle das Ganze einschätzt.
Da wundert es nicht, dass die Mehrheit der Finanzminister von einem guten Kompromiss spricht. Nur einer lässt seinem Unmut freien Lauf: der schwedische Ressortchef Anders Borg. Er wirft Deutschland vor, die Prinzipien in Sachen Haushaltsdisziplin preisgegeben, die Idee von automatischen Sanktionen einfach so aufgegeben zu haben. Und wofür? Für die Zustimmung der Franzosen, im Gegenzug weiter über Vertragsveränderungen nachzudenken.
EU ist kein Club von nur zwei Partnern
Natürlich ist es gut, ja sogar unerlässlich, für solch ein Mammutvorhaben das zweite wichtige EU-Land mit im Boot zu haben. Ohne den deutsch-französischen Motor geht es nicht. Doch die Europäische Union ist kein Club der zwei sondern der 27 Partner - die alle überzeugt werden wollen. Wie schwierig das ist, hat das monatelange Tauziehen um den Reformvertrag von Lissabon gezeigt. Die Begeisterung für eine Neuauflage dieses Gezerres hält sich da in Grenzen. Und das entwertet auch die französische Zusage.
Bleibt also die Frage, ob der Stabilitätspakt wirklich verschärft wird und eine echte Handhabe gegen disziplinlose Haushaltspolitik bieten kann. Momentan drängt sich der Eindruck auf, dass die Länder den ambitionierten Ansatz der Kommission zerpflücken und verwässern. Der Schwur der EU-Staaten, ein zweites Fiasko wie mit Griechenland unbedingt verhindern zu wollen, scheint zu verblassen. Also: Mogelpackung statt eines großen Wurfs.
Hoffnung auf das Europaparlament
Eines lässt da hoffen: Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Auch das Europaparlament muss schließlich noch entscheiden und da gibt es viel Sympathie für den Kommissionsvorschlag. Der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden sagte: Die Idealwelt besteht eben nicht. Recht hat er. Aber man darf ja noch darauf hoffen, dass auf der großen politischen Bühne einmal mehr als der kleinste gemeinsame Nenner herauskommt.
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