Rupert Stadler im Gerichtssaal beim Prozess um den Diesel-Skandal in München.
kommentar

Ex-Audi-Chef Stadler Ein Urteil mit schalem Beigeschmack

Stand: 27.06.2023 17:22 Uhr

Jahrelang hat Ex-Audi-Chef Stadler im Dieselskandal seine Unschuld beteuert. Erst als eine Haft drohte, gestand er. Dafür kommt er nun mit einer Bewährungsstrafe davon. Verständlich, dass sich manch einer darüber ärgert.

Ein Kommentar von Arne Meyer-Fünffinger, ARD Berlin

Es ist geschafft - es gibt ein Urteil zum Dieselskandal. Nicht, wie in den vergangenen Jahren so oft, weil ein Geschädigter mit seiner Schadenersatzklage gegen einen Autokonzern durchgekommen oder gescheitert ist. Nein, es ist ein Urteil gegen mehrere hochrangige Audi-Manager. Mit Rupert Stadler hat das Gericht sogar einen früheren Vorstandschef wegen seiner Rolle im Dieselskandal in die Verantwortung genommen. Allerdings bleibt ein sehr schaler Beigeschmack.

Geständnis erst, als Haft drohte

Stadler hat lange taktiert - und sich ähnlich verhalten wie seine früheren Arbeitgeber Audi und Volkswagen. Abwiegeln, kleinreden und Fehler erst dann eingestehen, wenn es gar nicht mehr anders geht oder wenn es bedrohlich wird. Genau das haben Stadler und auch der Mitangeklagte getan - Ex-Motorenchef Wolfgang Hatz. Über zwei Jahre lang, an Dutzenden Prozesstagen, haben beide wiederholt ihre Unschuld betont. Für den Skandal waren andere verantwortlich, untere Ebenen. Aber nicht wir.

Stadler hat zu Beginn des Verfahrens von einer Angstkultur gesprochen, die bei Audi wohl geherrscht hat. Tarnen und Täuschen seien lange Bestandteile dieser Kultur gewesen. Wie groß sein Anteil daran ist, hat Stadler offengelassen. Erst als das Gericht klar gemacht hat, dass dieses Verfahren auch mit einer Haftstrafe enden könnte, ist Stadler umgeschwenkt und hat ein Geständnis abgelegt. 2018 saß der Audi-CEO kurz in U-Haft. Eine weitere Erfahrung dieser Art wollte er sich wohl ersparen, deswegen hat er seinen Kopf aus der Schlinge gezogen. Wirklich einsichtig wirkt das nicht.

Angeklagte wussten früh, was sie taten

Auch aus einem anderen Grund ist es verständlich, wenn sich manche über dieses Urteil ärgern. Richter Stefan Weickert hat sich tief in die Abläufe und die technischen Spezifikationen von Dieselmotoren eingearbeitet. Die Urteilsbegründung hatte teilweise den Charakter eines Fortgeschrittenen-Seminars für Motorenkunde.

Dabei hat er aber auch herausgearbeitet, dass die Angeklagten früh gewusst haben, was sie taten - und dass sie dabei längst einen Graubereich hinter sich gelassen hatten - im Interesse des Konzerns, der Profite, der eigenen Karriere und nicht im Interesse der Kundinnen und Kunden.

Hersteller haben sich ins eigene Fleisch geschnitten

Der Dieselskandal hat allerdings auch etwas Gutes gebracht: Die längst überfällige Abkehr von Verbrennungsmotoren hat er erheblich beschleunigt. Der Selbstzünder hat sein eigenes Grab ausgehoben.

Trotzdem wird er uns als Thema noch die nächsten Jahre erhalten bleiben, nicht zuletzt wegen der gestrigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Thermofenster. Diesel-Halter können jetzt versuchen, eventuelle Schadenersatzansprüche gegen die Hersteller zwar noch mit einem gewissen Aufwand, allerdings mit einem geringeren als vorher, durchzusetzen. Die Geister, die die Hersteller mit ihren Manipulationen gerufen haben, werden sie vorerst nicht los.

Arne Meyer-Fünffinger, BR, tagesschau, 27.06.2023 16:31 Uhr
Redaktioneller Hinweis
Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 27. Juni 2023 um 17:32 Uhr.