SPD-Parteitag Wie ein Motivationsseminar
Beim SPD-Parteitag, der an ein Motivationsseminar erinnerte, hat der Kanzler mit der Wiederentdeckung seiner Haltung viele Genossen glücklich gemacht. Um große politische Lösungen ging es dabei nicht.
"Wir sind stolz darauf, dass Du einer von uns bist", sagt die SPD-Chefin zum SPD-Kanzler. "Einer von uns" also. Hatte man beim Ampel-Kompromisskanzler Olaf Scholz ja zuletzt gelegentlich vergessen können, dass der Mann außer einer Haushaltskrise auch noch eine Haltung hat. Dass er "einer von uns ist", wie Saskia Esken gerührt ausrief.
Die Genossen jedenfalls waren zu Recht ganz glücklich, weil sich dieser Olaf Scholz noch gerade rechtzeitig erinnerte, dass auch sein Herz links schlägt. Dass dieser schweigsame Herr Scholz ein Sozi mit Stallgeruch sein kann. Einer, der beim Wort Sozialstaat nicht zuerst an Schmarotzer denkt. Einer, der Respekt vor der Arbeit von Malochern und Mindestlöhnern hat. Und der Rechtspopulisten mit dem 160-jährigen Stolz einer Arbeiterpartei zuruft: "Ihr seid weder sozial, noch seid ihr Demokraten."
Kein Sowohl-als-auch-Kanzler
Das alles wollten diese zutiefst verunsicherten Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag hören, sehen und ja auch fühlen bei ihrem sonst meist untertemperierten Sowohl-Als-Auch-Kanzler. "Unser Rezept ist Zuversicht", sagt jetzt der Mann, der sich in der Ampel zuletzt bis zur Unkenntlichkeit ausschwieg. Und wenn er dann als Ampelkanzler redete, nichts sagte. "Wir müssen zusammenhalten." Das war dann die Bitte, die Olaf Scholz seiner SPD zurief. Und diese SPD hat das verstanden.
"Wir müssen zusammenhalten"
Der Laden jedenfalls steht bemerkenswert zusammen. Wo bei den Sozis vor wenigen Jahren bei weit geringeren Krisen erst Augen und dann Köpfe rollten, gab es auf diesem Parteitag eine fast unheimlich anmutende Geschlossenheit. Ja, die Jusos motzten über den Paartherapeuten und Ampelmoderierer Scholz. Aber sonst?
Spitzenwahlergebnisse für die Führungsriege und stehender Applaus für den Ampelmann Olaf. Motto: Wir liegen zwar gerade bei 14 Prozent in den Umfragen, aber wisst ihr noch 2019? Da haben wir öffentlich überlegt, ob wir überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellen sollen.
Rotes Rückgrat für die Genossen
Dieser Parteitag geriet ein wenig zum Motivationsseminar einer Regierungspartei, die zwar den Kanzler stellt, aber sich eben auch die Sinnfrage: Wofür stehen wir eigentlich noch? Scholz gab seine Antwort: "Wir sind für Euch da. Wir machen Politik Euretwegen". Das sollen die Sozis den Menschen zurufen.
Damit ist keine Haushaltskrise gelöst, kein Krieg beendet, keine nörgelnde FDP samt bockigem Finanzminister Christian Lindner eingehegt, keine Brücke repariert und kein Klima gerettet. Aber darum ging es auf diesem SPD-Parteitag auch gar nicht.
Es ging eher darum, dem eigenen Laden wieder ein rotes Rückgrat einzuziehen und dem Kanzler ein bisschen mehr Mut zu machen. Zu heißem Herzen und klarer Kante, wie Franz Müntefering es einst beschrieb. Beides haben die Sozis hingekriegt. Und jetzt? Jetzt gehen sie weiterregieren. Oder wie Scholz sagte: "Deutschland braucht keine Leute, die aufhören zu arbeiten, wenn's schwierig wird."
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