Koalitionsausschuss Pragmatismus statt Ideologie
In ihren Marathon-Verhandlungen mussten SPD, Grüne und FDP pragmatische Lösungen finden. Das ist ihnen im Bereich Verkehr, Heizen und bei den Klimazielen auch gelungen.
Statt Ideologie jetzt Pragmatismus. Denn nur so kann es gehen, wenn Partner mit ganz verschiedenen Weltanschauungen zusammen etwas zustande bringen wollen. Die Ampel zeigt es in ihrem Beschlusspapier - 16 Seiten lang. Vor allem da, wo es um Klimaschutz und Verkehrspolitik geht.
Da ist zum Beispiel der seit Monaten andauernde Streit um den beschleunigten Ausbau von Autobahnen. Für die Grünen aus Umwelt- und Klimaschutzgründen bis vor Kurzem undenkbar, für die FDP zwingend, weil Menschen und die Wirtschaft in Deutschland mobil bleiben sollen.
Am Bedarf orientiert
Der nun erzielte Kompromiss überwindet die absolute Festlegung beider Parteien und orientiert sich am tatsächlichen Bedarf. Da wo es wirklich drückt, wo eine zusätzliche Autobahnspur hilft, Staus abzubauen und lange Umwege zu vermeiden, wird jetzt beschleunigt geplant und gebaut. 144 Projekte sollen es insgesamt sein. Hunderttausende Verkehrsteilnehmende sagen "Danke".
Grundsätzlich soll es auch beim Ausbau von Bahnstrecken schneller gehen. Das ist nicht nur im Sinne der Bahnkunden, sondern vor allem gut für die Reduzierung von CO2 und damit eine echte Chance. Zumal über Photovoltaik-Anlagen, die an den neuen Strecken stehen sollen, auch noch Energie gewonnen wird.
Nicht aus der Pflicht entlassen
Pragmatismus auch beim zweiten Beispiel, den sogenannten Sektorzielen. Dabei geht es um die CO2-Einsparungen in den Ressorts der jeweiligen Minister. Das Problem: Allen Beteiligten war eigentlich klar, dass dieses Ziel im Verkehrssektor aktuell nicht erreicht werden kann. Und so ist es dann auch gekommen. Das liegt auch daran, dass sich die Mobilitätswende nicht so kurzfristig organisieren lässt, wie es sich "Fridays for Future" wünscht.
Hier haben FDP und SPD sich durchgesetzt. Ihre Freude sollte sich allerdings in Grenzen halten, denn damit sind sie nicht aus der Pflicht entlassen. Künftig wird alle zwei Jahre geschaut, wie sich einzelne Sektoren entwickeln. Zudem zählt stärker, ob die Bundesregierung insgesamt die selbstgesteckten Ziele erreicht. Ein pragmatischer Ansatz.
Große ideologische Unterschiede
Und dann wäre da noch das dritte Beispiel: das umstrittene Gesetz zum Einsatz klimafreundlicher Heizungen. Ab 2024 soll möglichst jede Heizung, die neu eingebaut werden muss, zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Grundsätzlich gilt diese Vorgabe auch nach dem 30-stündigen Koalitionsausschuss. Es gibt allerdings Ausnahmen und Härtefallregelungen, verlängerte Fristen und Geld vom Staat für die, die es sich schlicht nicht leisten können. Auch hier also Pragmatismus.
Die vergangenen Monate Ampel-Streit haben noch einmal deutlich gemacht, dass es gerade zwischen den Grünen und der FDP große ideologische Unterschiede gibt. Das ist nicht schlimm. Vielleicht haben die Koalitionsvertreter ja Recht, wenn sie sagen, dass innerhalb der Regierung gerade genau die Themen intensiv diskutiert werden, die auch in der Bevölkerung für erhitzte Gemüter sorgen. Und genau deswegen ist es richtig, wenn die Regierung weniger ideologische und eher pragmatische Lösungen findet.
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