Robert Habeck spricht im Plenarsaal des Bundestages.
kommentar

Gebäudeenergiegesetz Ein entkernter Entwurf mit Potenzial

Stand: 15.06.2023 18:27 Uhr

Die Opposition im Bundestag regt sich zu Recht über den Entwurf für das Heizungsgesetz auf. Denn er lässt zentrale Fragen offen. Doch grundsätzlich weist der Kompromiss der Ampel in die richtige Richtung.

Ein Kommentar von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio

Es ist ein Flickenteppich, ein entkernter Gesetzesentwurf. Der Bundestag hat über einen Text beraten müssen, der zentrale Fragen offen lässt. Hausbesitzer erfahren immer noch nicht eindeutig, wie lange sie ihre alten Heizungen laufen lassen dürfen und was danach kommen kann oder muss.

Darüber regt sich die Opposition zu Recht auf und stellt die Frage, wie nächste Woche eine Expertenanhörung im Bundestag auf dieser mageren Faktenbasis funktionieren soll. Dass nach dem Ampel-Kompromiss jetzt auch noch die sogenannte kommunale Wärmeplanung mit in dieses Gesetz hineinspielt, macht die Sache zusätzlich kompliziert. Aber trotz allem: Dieser Weg ist der einzige halbwegs gesichtswahrende für diese Bundesregierung.

Späte Korrektur eines grundlegenden Fehlers

Die Ampel-Koalition korrigiert nämlich - wenn auch spät und hektisch - einen grundlegenden Fehler in ihrem Gesetzesentwurf: die Abfolge der Schritte. Jetzt sollen erst einmal die Städte und Gemeinden erklären, wie das Heizen vor Ort klimafreundlich werden kann - ob zum Beispiel Fernwärme eine Option wäre, ob mehr Haushalte als bisher daran angeschlossen werden können.

Erst dann sind die Hausbesitzer in der Pflicht. Sie müssen also sinnvollerweise über ihre Heizung entscheiden, wenn sie wissen, was ihre Kommune bietet. Oder wie es SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz treffend in der Bundestagsdebatte auf den Punkt gebracht hat: Das Individuelle kommt, wenn das Fundament steht.

Die Wärmewende wird weiter verzögert

Klar, der Bau dieses Fundaments braucht seine Zeit. Die Städte und Gemeinden müssen erst bis spätestens 2028 ihre Wärmeplanung vorlegen. Das verzögert die Wärmewende weiter. Ein schlechtes Signal, weil schon zu viel Zeit verstrichen ist.

Einige Kommunen haben allerdings schon jetzt ihre Wärmekonzepte auf dem Tisch - und darin steckt auch eine Chance: Wenn Schritt für Schritt feststeht, wie das klimafreundliche Heizen vor Ort organisiert werden kann, wird auch der Ansturm auf Handwerker, Energieberater und Wärmepumpen Schritt für Schritt erfolgen. Erst in Kommune A, später in Kommune B. Das Szenario vieler Kritiker, dass die Heizungsbranche auf einen Schlag völlig überlastet sein könnte, wäre abgeräumt.

Den Grünen steht eine harte Probe bevor

Doch was der holprige Weg zu diesem Gesetz auch zeigt: Ohne gesellschaftlichen Rückhalt ist eine radikale Wärmewende nicht machbar. Bundeswirtschaftsminister Habeck musste letztlich einknicken und sein Gesetz entkernen. Das wird gerade in seiner Partei, den Grünen, noch für heftige Diskussionen sorgen - in der Partei also, die für sich in Anspruch nimmt, wie keine andere für den konsequenten Klimaschutz zu stehen.

Das Gebäudeenergiesetz könnte zur härtesten Probe für die Grünen werden - noch vor dem umstrittenen europäischen Asyl-Kompromiss.

Redaktioneller Hinweis

Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 15.06.2023 16:44 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 15. Juni 2023 um 17:05 Uhr.