Einigung auf Corona-Maßnahmen Ein Kompromiss mit Leerstellen
Endlich gibt es einen ersten Fahrplan der Ampel-Koalition für den Corona-Herbst. Doch trotz der Einigung bleiben mit Blick auf den Herbst noch viele offene Fragen.
Erleichterung über den heutigen Kompromiss: Ein wenig zumindest. Konzerte, Cafébesuch, Sommergefühle - es ist gerade so richtig herrlich. Mir wäre es lieb, das bliebe so.
Aber auch wenn viele mit Impfung und der milderen Omikron-Variante zum Glück recht glimpflich durch eine Erkrankung kommen - Corona, die Pandemie ist eben noch nicht vorbei. Immer noch sterben Menschen, heute wurden bundesweit 210 Covid-19-Todesfälle gemeldet.
Sorgenvoller Blick auf die Notaufnahmen
Und auch, wenn wir es im Herbst und Winter wohl kaum mit einer "Killervariante" zu tun bekommen werden, ganz ohne Schutzmaßnahmen wird es sicherlich nicht gehen. Denn schon jetzt ächzen einige Notaufnahmen ob ihrer Belastung wegen des chronischen Personalmangels und der vielen Corona-bedingten Personalausfälle. Bei ihnen mehren sich die Patienten, wenn es auf den Intensiv- und Normalstationen zu wenig Kapazitäten gibt. Sie lassen erahnen, was sich da noch anbahnen könnte, wenn Herbst und Winter kommen.
In der Medizin waren die Erwartungen deshalb groß, dass Gesundheits- und Justizminister einen vernünftigen Kompromiss hinbekommen. Bisweilen bestanden Zweifel an einem tragbaren Ergebnis. Denn dass die Ampel beim Infektionsschutz einwandfrei funktioniert, kann man nicht sagen.
Team Vorsicht und Team Freiheit auf der Regierungsbank
Die Grünen haben sich das Ringen zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD und Justizminister Marco Buschmann von der FDP vom Seitenrand angeschaut: Angekratzt sei das Verhältnis, war zu hören. Buschmann habe Lauterbach bisweilen an der Nase herumgeführt, als im März die meisten Corona-Beschränkungen gefallen sind.
Auch diesmal waren die Verhandlungen zäh. Team Vorsicht und Team Freiheit gemeinsam auf der Regierungsbank eben. Die Länder, die auf eine Rechtsgrundlage des Bundes für Schutzmaßnahmen angewiesen sind, wurden ungeduldig.
Die Einigung zum Infektionsschutz heute hat deshalb positiv überrascht. Auch wenn der Kompromiss im Detail einige Fragen aufwirft: Etwa wie in Bars durchgängig kontrolliert werden soll, ob jemand seine Maske ablegen darf, weil er frisch geimpft, genesen oder getestet ist. Lauterbach und Buschmann haben sich bei ihrem Konzept an der Wissenschaft und den Vorgaben des Expertenrats der Bundesregierung orientiert.
Viele Fragen bleiben ungeklärt
Im derzeit wahrscheinlichsten Szenario gehen die Wissenschaftler im Herbst und Winter von gehäuften Infektionen und Arbeitsausfällen durch eine Omikron-Variante aus. Sie empfehlen Schutz durch Masken und Maßnahmen wie Obergrenzen bei Veranstaltungen. Das findet sich in der Einigung wieder.
Neben genereller Maskenpflicht etwa im Fernverkehr, bekommen die Länder Maßnahmen an die Hand, die sie selbst beschließen können: Masken im ÖPNV, in Schulen, Testpflicht in bestimmten Bereichen. Auch Obergrenzen bei Veranstaltungen, wenn die Landesparlamente zustimmen.
Aber wann genau sollen die Maßnahmen zum Einsatz kommen? Was ist, wenn die neuen Impfstoffe im September doch noch nicht verfügbar sind, auf die Lauterbach so große Hoffnungen setzt? Welche Referenzwerte sollen gelten? Und an welchen Referenzwerten sollen sich die Länder orientieren, wenn sie Einschränkungen beschließen? Welche Rolle spielen hierbei das Abwassermonitoring, Inzidenzen und die Situation auf Intensiv-, Normalstationen und Notaufnahmen?
Hier lässt das Konzept noch zu viele Fragen offen. Und die Länder müssen jetzt unbedingt besser einbezogen werden. Denn am Ende sind sie es, die die Regeln umsetzen müssen. Wenn sie also nicht mitmachen, kommt der oberste Pandemiewächter Lauterbach nicht weit.