Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz (Archivbild: 06. Juni 2024)
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Wirtschaftspolitik der Ampel Es geht nur noch ums Durchhalten

Stand: 25.10.2024 18:50 Uhr

"Konzeptionelle Hilflosigkeit, abstraktes Wünsch-Dir-Was." Die Debatte um die Zukunft der deutschen Wirtschaft hat der ohnehin miserablen Verfassung der Ampelkoalition eine neue Qualität verpasst.

Ein Kommentar von Sabine Henkel, ARD Berlin

Eines muss man der Ampel lassen. Sie übertrifft sich gern selbst. Wer geglaubt hatte, die Stimmung in dieser Regierung sei bereits am Boden, wurde von Christian Lindner eines Besseren belehrt. Der Bundesfinanzminister äußerte sich nach der Steuerschätzung zur Politik seines Kabinettskollegen Robert Habecks in den ARD-tagesthemen mit drastischen Worten: "Die Finanzpolitik kann nicht reparieren, was die Wirtschaftspolitik versäumt."

Mit anderen Worten: Er, Lindner, kann nicht reparieren, was Habeck falsch macht. Friedrich Merz hätte es nicht besser sagen können. Aber wer mit Christian Lindner in einer Regierung sitzt, braucht offenbar keinen Oppositionsführer mehr. Er hat der ohnehin miserablen Verfassung der Ampel eine neue Qualität verpasst. "Das ist ein Zeichen konzeptioneller Hilflosigkeit", kommentierte Lindner Habecks Investitionsplan.

Geld ausgeben oder Steuern senken?

Er versteht es, auszuteilen, auch gerne öffentlich. Vor allem dann, wenn jemand Geld ausgeben will, das er als Finanzminister verwaltet - und genau das hatte Habeck vorgeschlagen mit seinem "Booster" für die Wirtschaft. Wissend, dass das über den Koalitionsvertrag hinaus geht, die Ampel kein Geld zum Verteilen hat und die Schuldenbremse für Lindner sakrosankt ist. Eine Provokation also.

Denn Lindner will es anders machen. Er will zum Beispiel Steuern senken, was wiederum Habeck für unseriös hält. Ihm fehlt die Gegenfinanzierung und er keilt ganz im mittlerweile etablierten Ampelton zurück: "So kann man auch Politik machen, es ist nur keine Politik, sondern abstraktes Wünsch-Dir-Was."

Konzeptionelle Hilflosigkeit, abstraktes Wünsch-Dir-Was: Das ist der Umgangston in der Bundesregierung. Und Olaf Scholz, der Bundeskanzler, hat sich daran offenbar schon gewöhnt. Jedenfalls gibt er unumwunden zu, dass es manchmal schwierig sei, durchzuhalten bei all den Streitigkeiten.

Getrennte Gipfel, getrennte Pläne

Aber das Durchhalten oder Durchampeln ist das, was diese Koalition noch zusammenhält. Gemeinsame Projekte? Fehlanzeige. Der Kanzler lädt zum Industriegipfel, die FDP und Lindner kontern mit einem Mittelstandsgipfel. Und Habeck erklärt, keinen Gipfel zu brauchen, er sei permanent am Bergsteigen. Getrennte Gipfel, getrennte Touren, also.

Ein gemeinsam ersonnener Plan für die Wirtschaft ist nicht in Sicht. Lindner jedenfalls sagt, weder von Scholz noch von Habecks Ideen gewusst zu haben. Und er hält genau das für ein Problem, weil dadurch Unsicherheit entstehe und die Probleme in der Wirtschaft mit politisch gemachter Unsicherheit zusammenhängen würden.

Wenn Lindner Recht hat und dem so sein sollte, braucht es also politisch gemachte Sicherheit, Vertrauen in eine Regierung, die handlungsfähig ist und Gestaltungswillen zeigt. Davon scheint die Ampel jedoch weit entfernt. Mitte November muss der Haushalt stehen, das Parlament hat einen Finanzkrater zu stopfen. Gelingt das nicht, ist das für Lindner ein möglicher Scheideweg. Nicht aber für den Bundeskanzler. Niemand, meint er, solle sich dann in die Büsche schlagen, sein Stil sei das jedenfalls nicht.

Aber um reine Stilfragen geht es in dieser Regierung ja längst nicht mehr.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Oktober 2024 um 18:00 Uhr.