Der Schriftzug "Abgeschoben/Deported" steht auf einem amtlichen Stempelbild der Bundespolizei.
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Abschiebegesetze der Ampel Angstgetriebene Politik

Stand: 26.10.2023 16:54 Uhr

Die Ampelregierung verkauft ihre neuen Abschiebegesetze als großen Wurf. Doch ihre Wirksamkeit ist fraglich. Mit den Verschärfungen reagiert die Ampel auf eine Debatte, die allein von Stimmungsmache lebt.

Ein Kommentar von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

"Hart aber notwendig" seien die geplanten neuen Abschieberegeln, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Abschiebungen "im großen Stil" fordert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Regierung verkauft ihr "Abschiebepaket" als großen Wurf. Das Problem ist aber: Sie reagiert damit nicht auf die Realitäten von Flucht und Migration, sondern auf eine Debatte, die nur noch von Stimmungsmache lebt.

Die AfD hat den Boden des Rechtsstaats endgültig verlassen. Dort wird eine "millionenfache Remigration" gefordert und "Pushbacks, egal was der Europäische Gerichtshof dazu sagt".

Und auch in der Union gibt es mittlerweile Angriffe auf den menschenrechtlichen Flüchtlingsschutz. Wenn zum Beispiel Parteichef Friedrich Merz das Problem von knappen Arztterminen Geflüchteten anhängt und damit das bekannte AfD-Spiel mitmacht: "Wir gegen die".

Machen wir uns nichts vor: Auf diese Stimmungslage antwortet die Ampelregierung, wenn Habeck sagt, dass nicht alle, die notleidend sind, nach Deutschland kommen könnten und man den Konsens im Lande stabil halten müsse.

Die "Das Boot ist voll"-Stimmung nimmt zu

Das ist ein Politikverständnis, das vor allem von Angst getrieben ist. Gewiss, die "Das Boot ist voll"-Stimmung nimmt zu. Aber Stimmungen können sich verändern. Und man darf vor ihnen nicht den Kopf in den Sand stecken. Habeck bleibt bei Zuckerbrot und Peitsche, verknüpft bessere Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete mit dem Abschiebepaket, das rechtsstaatlich fragwürdig ist.

Wie wäre es denn, wenn der Vizekanzler einfach mal offensiv eine andere Geschichte erzählen würde? Eine, die nicht von der "deutschen Angst" handelt, sondern die, die Dinge richtig einordnet? Denn Flucht ist ein weltweites Problem und andere Länder sind viel mehr belastet als die europäischen Staaten. Die meisten Menschen suchen Zuflucht in anderen Regionen des eigenen Landes, sind also Binnenflüchtlinge. Und sehr viele kommen in Nachbarländern des globalen Südens unter. Allein der arme Libanon hat schätzungsweise zwei Millionen Syrer aufgenommen - bei selbst nur 5,5 Millionen Einwohnern. Und das reiche Deutschland streitet darüber, dass jetzt aber mal ganz schnell die rund 20.000 Menschen abgeschoben werden müssten, die überhaupt rechtmäßig abgeschoben werden könnten.

Deutschland braucht Zuwanderung

Warum wird weiter Angst geschürt? Viele Menschen sind aus guten persönlichen Gründen in Deutschland und wir haben gute politische Gründe dafür, sie aufzunehmen. Laut OECD haben so viele Zugewanderte wie noch nie einen Arbeitsplatz in Deutschland. Unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft brauchen diese Menschen.

Diese Wirklichkeit gilt es politisch abzusichern. Mit Geld für die klammen Kommunen, die die erste Anlaufstelle für Geflüchtete sind. Gute Migrationspolitik findet statt, wenn sich die Politik um Lehrstellen für Geflüchtete und Integrationsprogramme kümmert und nicht die Rechte von Familien mit Kindern beschneidet und ihnen permanent mit der Abschiebung droht.

Max Bauer, SWR, tagesschau, 26.10.2023 15:09 Uhr
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