Ex-Geheimdienstkoordinator Schmidbauer gibt Treffen mit Marsalek zu
Der Skandal um Wirecard zieht weitere Kreise. Ex-Vorstand Marsalek traf sich auch mit Ex-Geheimdienstkoordinator Schmidbauer, wie dieser dem SWR bestätigte. Er soll vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss aussagen.
Der ehemalige Geheimdienstkoordinator unter Bundeskanzler Helmut Kohl, Bernd Schmidbauer, hat sich laut eigener Aussage mit Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in dessen Münchner Villa getroffen. Das bestätigte Schmidbauer, der Staatsminister im Kanzleramt war, auf Anfrage des SWR.
In dem Treffen, das nach Schmidbauers Erinnerung vor ungefähr zwei Jahren in einem Sitzungsaal des Münchners Anwesens von Marsalek stattgefunden haben soll, sei es um Libyen und die Technik der Geheimdienste gegangen. Marsalek hätte Interesse an Nachrichtendiensttechnik gehabt. Allerdings habe er nicht den Eindruck gehabt, dass Marsalek noch groß Informationen brauchte, so Schmidbauer.
Marsalek-Vertrauter bei Treffen dabei
Ebenfalls anwesend soll der Österreicher W. gewesen sein. W. war bis Ende 2017 Abteilungsleiter des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Er wurde am 19. Januar in Wien festgenommen. Die Wiener Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Marsalek im vergangenen Juni bei seiner Flucht geholfen zu haben. W. steht darüber hinaus im Verdacht, über seine Kontakte im österreichischen Geheimdienst Geschäftspartner Marsaleks für diesen ausspioniert zu haben. Einer dieser Kontakte ist nach Aussage von W. sein Ex-Kollege O.
Wie aus einem Protokoll einer Vernehmung W. hervorgeht, das dem SWR vorliegt, soll er O. um 25 Abfragen in Polizeidatenbanken gebeten haben. Als Gegenleistung habe W. ihm insgesamt 6000 Euro gezahlt. O. wurde kurz nach W. verhaftet. Nach SWR-Informationen sitzt O. immer noch in Untersuchungshaft. W. wurde bereits entlassen.
Offenbar Auswirkungen auf Deutschland
Aus einer "Erkenntnisanfrage" eines BKA-Verbindungsbeamten an der deutschen Botschaft in Wien ans österreichische Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, die dem SWR vorliegt, geht hervor, dass sich der Generalbundesanwalt bereits im Oktober 2019 für O. interessierte. Aus der Anfrage geht außerdem hervor, dass sich das BKA von den Österreichern im Rahmen eines "Strukturermittlungsverfahrens" mit dem Titel "Russische Dienste" Informationen darüber erhoffte, ob über O. und einen weiteren Österreicher "Informationen an ausländische Nachrichtendienste gelangen" konnten und "möglicherweise Belange der Bundesrepublik Deutschland tangiert sein könnten".
Bereits 2018 erwähnte Schmidbauer O. in einer Vernehmung bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in Wien. Nach Medienberichten hatte O. Schmidbauer im Januar den Wikipedia-Eintrag des Obmanns der Linken im Wirecard-Untersuchungsausschuss, Fabio De Masi, weitergeleitet.
Wirecard-Ausschuss will Schmidbauer vorladen
Die mutmaßliche Ausspähaktion, in die Schmidbauer offenbar verwickelt ist, soll Thema im Wirecard-Ausschuss werden. Wie der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz dem SWR sagte, wäre eine Vorladung des Ex-Staatsministers für April denkbar. Dann sei auch der Bericht des Sonderermittlers Wolfgang Wieland geplant, der die Kontakte des insolventen Zahlungsdienstleisters zu Geheimdiensten untersuche.
Darauf müssten sich allerdings noch alle Fraktionen verständigen: "Die Enthüllungen über die mögliche Beteiligung von Herrn Schmidbauer an den dubiosen Praktiken von Wirecard sind noch relativ jung. Wir werden das Vorgehen dazu daher gründlich beraten", sagte Bayaz.
FDP-Obmann Florian Toncar geht ebenfalls davon aus, dass "Schmidbauer wesentlich zur Aufklärung der nachrichtendienstlichen Kontakte von Herrn Marsalek beitragen kann". Auch SPD-Politiker Jens Zimmerman begrüßt eine tiefgehende Untersuchung möglicher Verstrickungen des Ex-Geheimdienstkoordinators: "Dass ein weiterer ehemaliger Geheimdienstkoordinator aus dem Kanzleramt hier auftaucht, lässt natürlich alle Alarmglocken läuten."
Beratervertrag mit Fritsche
Schmidbauer ist bereits der zweite ehemalige Geheimdienstkoordinator, der in der Wirecard-Affäre auftaucht. Wie bereits zuvor bekannt wurde, schloss Klaus-Dieter Fritsche, der von 2014 bis 2018 als Beauftragter für die Nachrichtendienste im Range eines Staatssekretärs im Kanzleramt tätig war, 2019 einen Beratervertrag mit Wirecard.
Er lobbyierte anschließend im Kanzleramt für den Zahlungsdienstleister. Auch für die ehemalige österreichische Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ war Fritsche tätig. Der Geheimdienstexperte sollte 2019 für den damaligen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl ein Konzept zur Neuaufstellung des Verfassungsschutzes entwickeln - des Ex-Arbeitgebers von W. und O.
Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte auf Anfrage des SWR, das Bundeskanzleramt habe "keine Kenntnis von einer möglichen Verbindung von Herrn Schmidbauer zu Herrn Marsalek".