Obskure Investition in Mannheim Der Rohbau und das Geld aus Baku
Investoren aus Aserbaidschan haben ein Mannheimer Bürogebäude erworben. Hinter ihnen stehen nach SWR-Recherchen Offshore-Firmen, die im Geflecht der Panama Papers auftauchen - und Akteure aus dem Umfeld des Staatschefs.
Aserbaidschan ist derzeit wieder in aller Munde, denn neben der kürzlich verstorbenen Bundestagsabgeordneten Karin Strenz standen oder stehen noch weitere Politiker im Verdacht, zumindest Lobbyarbeit für den kleinen aber wohlhabenden Kaukasusstaat zu betreiben, etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen eines Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt.
Auch der nach einer Masken-Provisions-Affäre von allen Ämtern zurückgetreten ehemalige Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneter Nikolas Löbel war als engagierter Fürsprecher der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen aufgefallen. In seiner Heimatstadt verwahrlost derweil ein großes ehemaliges Bürohaus, das vor rund sechs Jahren von Geschäftsleuten aus Baku gekauft, aber nie genutzt wurde. Die Geschichte wirft Fragen nach den eigentlichen Interessen der Aserbaidschaner in Deutschland auf.
Große Hoffnungen für bekanntes Gebäude
Der Mannheimer Bauunternehmer Egon Scheuermann hatte im Jahr 2015 eine kleine Sensation für seine Heimatstadt zu vermelden: Er habe das ehemalige Bürohaus der Elektronikfirma BBC-York verkauft, das an prominenter Stelle an der Einfahrt zur Stadt von Westen aus jedem Besucher Mannheims auffällt. Aserbaidschanische Investoren wollten dort 30 Millionen Euro investieren und von einem preisgekrönten italienischen Architektenbüro das erste Fünf-Sterne-Hotel der Stadt einrichten lassen, hieß es.
Doch wer heute die Gottlieb-Daimler-Straße 6 aufsucht, erkennt sofort: Hier hat sich seit Jahren gar nichts getan. Ein entkerntes Hochhaus wird vom Moos überwuchert. Dem SWR sagte Scheuermann, nie wieder von den Käufern gehört zu haben. Den Verkaufspreis nannte er nicht.
Bauherren nicht erreichbar
Auch Corinna Hiss, Pressereferentin im Baudezernat der Stadt, bestätigt: Die Stadt hat keinen Kontakt zum Eigentümer, Schreiben kamen zwar nicht zurück, blieben aber unbeantwortet. Allerdings sei vor rund drei Jahren ein Antrag auf Verlängerung der Baugenehmigung für den Umbau von einem Bürogebäude zu einem Hotel bei der Bauverwaltung eingegangen, der bis 23. September dieses Jahres gewährt wurde. Die Baugenehmigung könne auch wieder verlängert werden, bestätigte Hiss dem SWR.
Dass es sich um den gleichen Eigentümer handelt, der das Gebäude von Egon Scheuermann gekauft hatte, bestätigt ein aktueller Grundbuchauszug. Darin steht als Eigentümer die "Sapphire Property Development GmbH, Mannheim". Die Firma ist zwar im Mannheimer Handelsregister aufgeführt, gibt aber eine Adresse in Köln an. Ein Einschreiben des SWR dorthin verschwindet in einem Briefkastenschlitz mit rund 20 weiteren Namen drauf. Die Fragen in dem Brief bleiben seit Tagen unbeantwortet.
Fragwürdige Verbindungen
Womöglich muss das Schreiben erst seinen Weg über den Kanal finden, denn als Geschäftsführer der Sapphire Property Development GmbH ist seit November 2020 der 24 Jahre alte Isgander Mammadzada eingetragen, der in London in einer Wohnung lebt, die mit 4,7 Millionen Pfund Marktwert ausgewiesen ist - umgerechnet rund 5,5 Millionen Euro.
Über Mammadzada ist ansonsten wenig zu erfahren. Dafür gibt es Hinweise auf ein umso schillernderes Leben seines langjährigen Vorgängers, Michael Shvartsman. Dessen Name wird schon 1994 in einem geheimen Bericht des FBI erwähnt. Der Geschäftsmann aus Florida mit engen Verbindungen nach Baku arbeite "ausschließlich für Mitglieder der russische Organisierten Kriminalität", heißt es in dem internen Bericht der "Organizational Intelligence Unit" des FBI.
Verdacht auf Mafia-Kontakte
Eine Recherche des investigativen Magazins "The Insider" zeigt Verbindungen von Shvartsman zu mehreren sogenannten "Dieben im Gesetz" auf, also Mafiabossen aus der Ex-Sowjetunion. Ist die Sapphire Property Development GmbH mit Sitz in Köln auch in krumme Geschäfte verwickelt? Weitere Spuren scheinen dies nahezulegen.
Die Firma war zunächst unter anderem Namen in Bonn als sogenannte Vorratsgesellschaft - also noch ohne Geschäftszweck - gegründet und 2014 weiterverkauft worden. Beim Notartermin erschien damals ein Magsud Ahmadkhanov aus Baku, Aserbaidschan - ein Name, der mit identischem Geburtsdatum auch in den "Paradise Papers" auftaucht, also einer Informationsquelle über Steuervermeidungssysteme. Dieser setzte Michael Shvartsman als Geschäftsführer ein.
Dubioses Firmengeflecht
Die Anteile an der Sapphire GmbH werden von dem Luxemburger Unternehmen Liza Investment gehalten, die später in Sapphire Finance S.A. umbenannt wird. Die Sapphire Finance S.A. gibt der Sapphire Property Development einen Kredit und nimmt selber wiederum größere Kredite auf. Hinter diesem Geld steht - wiederum verschachtelt - eine Firma namens Bright Global S.A.
In Italien taucht die Bright Global in mehreren dubiosen Fällen auf. Laut Medienberichten hat die italienische Justiz wegen Geldwäsche gegen sie ermittelt. Immer wieder geht es dabei um Luxushotels und teure Immobilien, um Korruption und Geldwäsche, einmal auch um Zigarettenschmuggel. Wem die Bright Global S.A. gehört, ist bis heute unklar.
2016, während die Affäre um die Panama Papers auffliegt, werden die Kredite auf Privatpersonen umgeschrieben. Da Luxemburg mittlerweile auf internationalen Druck mehr Einblicke in die dort gemeldeten Firmenstrukturen erlaubt, lässt sich jetzt feststellen: Die Sapphire Finance S.A., die den Kauf des York-Gebäudes in Mannheim finanziert hat, gehört mittlerweile zur Hälfte Sabina Mammadova und Azer Asgarov, beide gebürtig aus Aserbaidschans Hauptstadt Baku.
Enge Kontakte zu Staatschef Aliyev
Azer Asgarov ist in Aserbaidschan bekannt als Judo-Veteran, der bei den Europameisterschaften 2011 in Leipzig die Silbermedaille gewann. Als Bauunternehmer scheint er engste Beziehungen zu Staatschef Ilham Aliyev zu pflegen. Mit seinem Unternehmen Azimport soll er mehrere hundert staatliche Bauaufträge ohne Ausschreibungen erhalten haben, berichtet ein aktueller aserbaidschanischer Dokumentarfilm.
Staatsche Aliyev soll Asadov mehrere staatliche Bauaufträge zugeschustert haben.
Dies sei möglich, weil hinter Azimport in Wirklichkeit Ali Asadov stecke. Dieser war mehr als zehn Jahre Wirtschaftsberater von Staatspräsident Ilham Aliyev, der ihn im Oktober 2019 zum Premierminister vorschlug. Das Parlament nickte die Nominierung ohne Gegenstimme ab.
In dem Dokumentarfilm sind Bauarbeiter zu sehen, die beklagen, sie hätten von Azimport nie ihren Lohn erhalten. Gebaut hatten sie die Sportstätten, in denen 2015 die prestigeträchtigen "European Games" ausgetragen wurden - ein Leichtathletikwettkampf, zu dem unter anderen gleich fünf CDU-Politiker angereist kamen, darunter der ehemalige Kunstturner Eberhard Gienger, heute für den Wahlkreis Neckar-Zaber im Bundestag.
Was steckt wirklich hinter dem Geld aus Baku, das in das Mannheimer York-Gebäude floss? Weder Michael Shvartsman noch Azer Asgarov haben auf SWR-Anfragen geantwortet. Die Stadt wird bis auf weiteres mit dem hässlichen Rohbau leben müssen.