Prozess in Saarbrücken Zwölf Jahre Haft für Cybertrading-Betrug
Mehr als 1000 Opfer und ein Gesamtschaden von gut 32 Millionen Euro mit betrügerischen Finanzplattformen - das Landgericht Saarbrücken verurteilte einen 29-Jährigen deswegen zu einer hohen Haftstrafe. Von C. Uhl und N. Resch.
In einem Prozess um Millionen-Betrug im Internet hat der Angeklagte eine außergewöhnlich hohe Haftstrafe erhalten. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte den 29-Jährigen zu zwölf Jahren Gefängnis. Mit mehr als 1000 Opfern und einem Gesamtschaden von gut 32 Millionen Euro war es einer der bundesweit größten Prozesse dieser Art.
Nach 23 Prozesstagen sieht es die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Saarbrücken als erwiesen an, dass der Angeklagte Azem S. schuldig ist. Als führendes Mitglied der Betrugsbande soll er maßgeblich für den Schaden mitverantwortlich sein.
Nach Auffassung der Kammer war der nun Verurteilte als Co-Chef eines kosovarischen Callcenters ranghohes Mitglied einer Bande, die mit hohem technischen und personellen Aufwand Privatanleger über gezinkte Finanz-Plattformen um ihr Geld brachte. Von dem Callcenter aus überredeten Telefonagenten die Anleger zu immer neuen Einzahlungen auf den Plattformen mit Namen Option888, Zoomtrader und XMarkets.com.
"Gezielt in die Überschuldung getrieben"
Mit dem eingezahlten Geld wurde aber nie gehandelt, es floss direkt in die Taschen der Betrüger. Wie der Vorsitzende Richter, Heiner Schmidt, in seiner Urteilsbegründung ausführte, verleiteten die psychologisch geschulten Telefon-Agenten dabei mit allerlei Tricks die Anleger zu immer mehr Einzahlungen. "Auf diese Weise wurden Kunden auch gezielt in die Überschuldung getrieben", führte Schmidt aus.
Als einer von zwei Geschäftsführern dieses Callcenters habe S. den dortigen Geschäftsbetrieb organisiert und aufrechterhalten - und damit auch den Betrug am Laufen gehalten. Sein ganzes Tun und das seiner Mitarbeiter seien allein auf den massenhaften Betrug von Privatanlegern ausgerichtet gewesen.
Außergewöhnliche Strafe
Zwölf Jahre - das ist eine der höchsten Haftstrafen, die je in einem Betrugsverfahren in Deutschland verhängt wurden. Richter Schmidt begründete das damit, dass S. nicht nur in seiner Rolle als Callcenter-Chef schuldig gemacht hat, sondern in Einzelfällen auch selbst beim direkten Kundenbetrug mitwirkte. In insgesamt acht Fällen habe er Kunden vermeintliche Boni gutgeschrieben oder Einzahlungslimits geändert - alles mit der Absicht, die Kunden zu mehr Einzahlungen zu verleiten.
Mit dieser Sichtweise zeigte sich die Verteidigung nicht einverstanden, sie hatte zuvor sieben Jahre Haft beantragt. S.' Strafverteidiger Walter Teusch kündigte im SR-Interview an, Revision einzulegen. Das Urteil gegen Azem. S. ist noch nicht rechtskräftig.
Während der 23 Verhandlungstage sagten mehr als 30 Zeugen aus, unter ihnen mehr als 20 Geschädigte. Bei der Beweisaufnahme zeigte sich, wie skrupellos die Betrüger bei der Masche vorgingen. Mehrere Opfer beschrieben vor Gericht eindrücklich, wie ihnen die Telefonberater das Geld aus der Tasche zogen und sie teils um all ihr Gespartes brachten. Der SR steht in Kontakt zu mehreren Geschädigten, die bis zu 190.000 Euro verloren haben. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens kam auch ein besonders tragisches Schicksal zur Sprache. Ein Ermittler berichtete davon, dass ein Geschädigter Suizid beging, nachdem er mehrfach viel Geld verloren hatte.
Saarbrücker Prozess ragt heraus
Auf Anregung des Gerichts hatte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken dabei im Laufe des Verfahrens die Betrugsvorwürfe gegen zwei weitere Plattformen fallenlassen. Für diese gab es keine so eindeutigen Beweise wie für die drei verbliebenen. Damit sank die Zahl der Geschädigten von rund 1150 auf 1040. Der Gesamtschaden der Anklage reduzierte sich von mehr als 40 Millionen auf gut 32 Millionen Euro.
Auch andere Gerichte, vornehmlich in Bayern, haben bereits Betrüger verurteilt, die mit manipulierten Finanzportalen Anleger um ihr Geld gebracht hatten. Die zwölf Jahre für Azem S. sind aber die bisher mit Abstand höchste Strafe für Betrug mit solchen Plattformen.
Dennoch bleibt das aktuelle Urteil im Kampf gegen dubiose Finanz-Portale nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Alleine die Bande, der Azem S. zuzuordnen ist, umfasst laut Beweisaufnahme mehr als 400 Mitglieder. S. ist das erste verurteilte Mitglied. Ein ehemaliger Telefonberater aus dem von S. betriebenen Callcenter sitzt zurzeit in Saarbrücken in U-Haft und wartet auf seine Anklage.
Viele andere sind im Ausland auf freiem Fuß. Von manchen kennen die Ermittler noch nicht einmal die richtigen Namen, sie hatten in ihren Telefonaten mit den Anlegern immer falsche Identitäten benutzt. Gegen den Kompagnon des Verurteilten, Betim T., ist zwar Anklage erhoben worden. Er ist aber noch im Kosovo und wird offenbar nicht ausgeliefert. Der Chef eines weiteren Callcenters in Prag, Mohamad S., ist untergetaucht. Der mutmaßliche Strippenzieher der Bande ist 2020 in Saarbrücken unter ungeklärten Umständen in U-Haft verstorben.