Tiertransporte Qualvoller Tod deutscher Rinder
In Deutschland finden sie keine Verwendung, werden zum Mästen nach Spanien gebracht und in den Nahen Osten verkauft, wo sie qualvoll verenden - eine SWR-Recherche zeigt den Weg deutscher Jungbullen auf.
Deutsche Jungbullen in einem libanesischen Schlachthof, die gefesselt auf den Boden geworfen werden. Anschließend wird ihnen ohne Betäubung die Halsschlagader aufgeschnitten. Minutenlang verbluten die Rinder. Die Tiere schreien und erleiden entsetzliche Qualen. Es sind erschreckende Aufnahmen, die die Tierrechtsgruppe "Animals International" dem ARD-Politikmagazin Report Mainz zugespielt hat.
Im Libanon konnten die Aktivisten auch die Ohrmarken der deutschen Rinder filmen: Report Mainz konnte so rekonstruieren, welchen Weg die Tiere genommen haben. Ein Rind war danach als junges Kalb im Alter von zwei Wochen aus dem nordrhein-westfälischen Xanten auf den Weg nach Spanien gebracht worden, ein anderes aus Beverstedt bei Bremerhaven, wieder andere aus Mecklenburg-Vorpommern.
Landwirte, mit den Bildern konfrontiert, zeigten sich entsetzt und erzählten, sie hätten die Kälber im Alter von zwei Wochen an regionale Viehhändler verkauft. Rund 50 Euro pro Tier hätten sie bekommen. Sie hätten die Tiere aus wirtschaftlichen Gründen abgeben müssen. Was nach dem Verkauf mit den Tieren geschehen sei, entziehe sich ihrer Kenntnis.
Tagelange Überfahrt
Die Rinder waren nach dem Transport aus Deutschland in Katalonien gemästet und schließlich im Alter von rund zehn Monaten per Schiff in den Libanon gebracht worden. Katalonien ist Zentrum der Kälber- und Rindermast in Spanien. Tausende Tiere aus der ganzen EU werden hier vor allem für den Export gemästet.
Aktivisten der Tierrechtsgruppe "Animal Welfare Foundation" fanden in Spanien Belege dafür, dass zunehmend deutsche Tiere dorthin exportiert werden. Es seien vornehmlich junge männliche Kälber, so Aktivistin Iris Baumgärtner im Interview mit Report Mainz. Sie stammten aus der deutschen Milchproduktion und hätten für die Nachzucht keinen Wert mehr. Deshalb würden sie in Spanien gemästet und anschließend im Alter von acht bis zehn Monaten nach Libyen, Ägypten, die Türkei oder in den Libanon gebracht.
Rechtswidriges Sammelstellen-Hopping
Die Kälber waren über mehrere Sammelstellen in Belgien und in Frankreich schließlich nach Spanien transportiert worden waren, ergaben Report Mainz-Recherchen. Bis zu 60 Stunden waren die Tiere unterwegs.
Das sei eine Praxis, die europäischem Recht widerspreche, so Barbara Felde, Verwaltungsrichterin und zweite Vorsitzende der deutschen juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht. Viehhändler nutzten die Tatsache aus, dass Transporte mit einer Dauer von bis zu acht Stunden nicht genehmigungspflichtig seien. Als Endbestimmungsort gäben sie nahe Ziele an, brächten die Tiere aber lediglich zu einer weiteren Sammelstelle, die im Rahmen des Zeitfensters erreichbar sei.
Zwingend vorgeschrieben sei jedoch, den Endbestimmungsort der Reise anzugeben, so die Juristin. Das könne jedoch keinesfalls eine Zwischensammelstelle in Belgien und in Frankreich sein. Es müsse der Bauernhof sein, auf dem die Tiere am Ende abgeladen würden. Mit den Zwischensammelstellen werde europäisches Recht umgangen. Deshalb seien diese Transporte von vornherein rechtswidrig.
Im Klartext: Deutsche Tiere hätten demnach nicht nach Spanien transportiert werden dürfen und wären somit dann auch nicht in den Libanon gelangt. Juristin Felde fordert daher ein entschiedeneres Einschreiten der Politik. Die Bundesregierung könnte etwa durch ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung ein bundesdeutsches Verbot der Ausfuhr von lebenden Tieren in Risikostaaten anordnen.
Tierschutzrecht soll überarbeitet werden
Was unternehmen die EU-Kommission und das Bundeslandwirtschaftsministerium, um illegale Tiertransporte zu verhindern? Die EU-Kommission teilt mit, man wolle das EU-Tierschutzrecht im kommenden Jahr überarbeiten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium sagt, dass deutsche Veterinärbescheinigungen für Exporte lebender Rinder zur Zucht mit Wirkung vom 1. Juli 2023 zurückgezogen würden.
Doch was ist mit dem Schlachtvieh, wie etwa den Kälbern? Zudem: Wenn deutsche Rinder nur noch innerhalb der EU ausgeführt werden dürfen - wer kontrolliert, dass sie dann nicht beispielsweise aus Spanien weiter transportiert werden? Das Risiko, dass der Tierschutz weiter auf der Strecke bleibt, ist groß.