Russland-Sanktionen Die mühsame Jagd nach Oligarchenvermögen
Zur Durchsetzung der Russland-Sanktionen sind bisher knapp 4,5 Milliarden Euro an Vermögenswerten sichergestellt worden. Doch allein im Immobiliensektor gibt es mehr als 700 Firmen, deren Eigentümer kaum ermittelbar sind.
Zwei Yachten für gut 940 Millionen Euro, Unternehmensbeteiligungen von mehr als einer Milliarde Euro und 2,26 Milliarden Euro auf Konten bei deutschen Banken - so die aktuelle Bilanz der Durchsetzung der Russland-Sanktionen. Auf den ersten Blick ist es ein Erfolg, auf den zweiten Blick jedoch ein überschaubares Ergebnis.
Die Unternehmensbeteiligung betrifft den TUI-Anteil des Oligarchen Alexei Alexandrowitsch Mordaschow, der öffentlich bekannt war. Die auf Konten eingefrorenen Beträge waren ebenfalls schnell zu finden: Per Software gleichen die Banken die Namen der Kontoinhaber mit den Sanktionslisten ab, wie schon seit Jahren bei der Verhinderung von Geldwäsche. Problematisch indes waren die Yachten: Angemeldet über Firmen, deren "wirtschaftlich Berechtigte", also Eigentümer, sich hinter internationalen Firmengeflechten versteckten und nur schwer zu ermitteln waren.
Mehr als 60 Offshore-Firmen von Oligarchen identifiziert
Die Yachten konnte das Bundeskriminalamt (BKA) dank Millionen angekaufter Datensätze aus Offshore-Leaks wie den Panama Papers zuordnen. In Bezug auf sanktionierte russische Oligarchen stellt das BKA fest, dass "mehr als zehn Personen aufgrund des Geburtsdatums oder weiterer vorhandener Informationen eindeutig verifiziert werden" konnten. Ihnen wurden mehr als 60 Offshore-Gesellschaften in Deutschland zugeordnet.
Recherchen von BR, MDR, SWR und RBB zufolge dienen diese Firmen jedoch vor allem dem Unterhalt von Immobilien: Einer Firma gehört die Luxusimmobilie, die nächste bezahlt den Koch, eine andere sorgt für den Fuhrpark. Es sind kleine "Objektgesellschaften" mit jeweils einer konkreten Aufgabe, eher zum Geld ausgeben, als zum Geld verdienen gedacht.
Finanzbehörden gleichen Sanktions- und Steuerdaten ab
1158 Personen und 98 Unternehmen und Organisationen stehen inzwischen auf den Sanktionslisten. Doch nur wenige scheinen in Deutschland Immobilienvermögen zu besitzen. Entdeckt wurden diese, weil sie im Grundbuch stehen und somit auch Steuern zahlen. In München fanden die bayerischen Finanzbehörden beim Abgleich der Steuerdaten schon Anfang Mai zwei Eigentumswohnungen und ein Grundstück des Duma-Abgeordneten Roman L. und seiner Frau Elena K.
Eine bundesweite Abfrage von BR, MDR, RBB und SWR bei den Finanzbehörden ergab: Seit Verhängung der Sanktionen gleichen die Finanzbehörden die Steuerdaten mit den Sanktionslisten ab. Die Ausbeute scheint aber überschaubar. In Baden-Württemberg "konnten nur wenige Fälle identifiziert werden". In Sachsen-Anhalt und Bremen wurde nichts gefunden. Die übrigen Länder äußern sich nicht zu Einzelheiten und erklären in Absprache mit dem Bundesfinanzministerium: "Einzelheiten können im Hinblick auf die beabsichtigten Wirkungen nicht mitgeteilt werden."
Hunderte Immobilienfirmen mit unklaren Eigentümern
Ist Deutschland womöglich gar kein Eldorado der russischen Eliten, wo sie ihre Vermögen über die Jahre gut getarnt anlegen? Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezweifelt das. Nach seiner Einschätzung dürften die wenigen "Treffer" eher ein Beleg für die weitgehende Anonymität am Immobilienmarkt sein: "Kriminelle aus der ganzen Welt einschließlich Russland verstecken deswegen hier immer noch viele Milliarden verdächtiger aber nach wie vor ungeklärter Herkunft."
Eine exklusive Auswertung von Creditreform-Daten durch BR, MDR, RBB und SWR scheint ihn zu bestätigen. Bundesweit gibt es demnach 774 Immobilienunternehmen, zur deren unmittelbaren Eigentümern wiederum Firmen in Zypern (673), auf den Britischen Jungferninseln (82), den Kaiman- (17) und den Marshallinseln (2) gehören. Diese Orte gelten als ideal, um die wirklichen Eigentümer zu verschleiern. Die Datenauswertung zeigt, dass diese Immobilienunternehmen in fast allen Bundesländern zu finden sind, der Großteil davon in Berlin:
Berlin | 618 |
---|---|
Bayern | 36 |
Hessen | 34 |
Brandenburg | 20 |
Nordrhein-Westfalen | 19 |
Baden-Württemberg | 17 |
Hamburg | 10 |
Sachsen | 7 |
Niedersachsen | 5 |
Bremen | 3 |
Schleswig-Holstein | 2 |
Rheinland-Pfalz | 1 |
Mecklenburg-Vorpommern | 1 |
Sachsen-Anhalt | 1 |
Trautvetter meint jedoch, die Zahl könnte weitaus größer sein, weil Unternehmen aus den Schattenfinanzplätzen direkt oder über Zwischengesellschaften beispielsweise in Luxemburg oft Firmen-Ketten verwenden, die weitaus komplexer sein können. Doch bislang gibt es keine Institution mit dem Auftrag, diese Strukturen aufzuklären. Nach ARD-Informationen soll es bei der Deutschen Bundesbank eine Liste mit Firmen geben, deren Eigentümer unklar sind. Doch eine Bearbeitung dieser Liste durch das BKA, das Erfahrungen mit der Analyse komplexer Strukturen hat, sei aus "rechtlichen Gründen" nicht möglich, heißt es von dort. Es mangelt an der gesetzlichen Regelung.
Der russische Oligarch Arkadi Rotenberg, seit 2014 auf der EU-Sanktionsliste, machte von den "Leerstellen" im deutschen Recht regen Gebrauch. Jahrelang hatte er Kunstwerke im Wert von gut 18 Millionen Dollar bei einem Spediteur im Hamburger Freihafen eingelagert, wie es in einem Bericht des US-Senats heißt. 2019 konnten die Kunstwerke nach Moskau transportiert werden, weil keine Stelle überprüfte, wer hinter den zum Teil auf den Britischen Jungferninseln registrierten Firmen stand, die sich im Freihafen eingemietet hatten.
Will man die russischen Oligarchen treffen, reicht es nicht, ihre Namen in Listen aufzuführen. Wie Arkadi Rotenberg und weitere Familienmitglieder errichteten viele über Jahre komplexe Firmenstrukturen. Die Firmennamen stehen dann im Grundbuch. Die Anteile werden über Share-Deals verkauft oder verschoben. So wechselt über die Firma dann auch das Eigentum und niemand merkt es. Auf diese Weise konnte Arkadi Rotenberg trotz Sanktionen vor einigen Jahren seine Anteile an einem Villenkomplex in der Pücklerstraße in Berlin-Schmargendorf unbehelligt übertragen, anschließend wurde die Luxusimmobilie unter Beteiligung seiner Tochter verkauft.
Schlupfloch im Transparenzregister soll geschlossen werden
Seit 2017 soll das Transparenzregister dafür sorgen, dass sich die wirtschaftlich Berechtigten hinter ominösen Firmenstrukturen offenbaren - ursprünglich bis 2021. Doch wegen neuer Gesetze und Übergangsfristen wurde dieser Termin verschoben. Viele Unternehmen hätten sich bis 30. Juni registrieren müssen, einige haben Zeit bis Ende 2022. Nach Auskunft des Bundesverwaltungsamtes, bei dem das Transparenzregister angesiedelt ist, müssen sich etwa 1,7 Millionen Unternehmen registrieren. Per 26. Juni haben dies 850.000 getan. Wer seiner Pflicht nicht nachkommt, dem drohen Bußgeldverfahren. 37.227 wurden bislang eingeleitet, Verwarnungen und Bußgelder in Höhe von gut 8,2 Millionen Euro verhängt.
Doch selbst nach Ablauf aller Fristen besteht weiter ein Schlupfloch für all jene, die sich nicht "offenbaren" wollen: Wenn der wirkliche "Berechtigte" oder "Eigentümer" sich nicht ermitteln lässt, kann der "gesetzliche Vertreter", in der Regel ein Manager, der auf keiner Sanktionsliste erscheint, gemeldet werden. Ermittler, die dem Verdacht auf Geldwäsche nachgehen, halten das schon seit Jahren für eine Art "Begünstigung von Straftaten".
Sebastian Fiedler, ehemaliger Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter und seit Herbst 2021 für die SPD im Bundestag, kritisierte dies jahrelang. Was bei der Geldwäsche versäumt wurde, falle Deutschland jetzt bei der Durchsetzung der Sanktionen auf die Füße. Seine Hoffnung ruht auf dem für den Spätsommer geplanten Sanktionsdurchsetzungsgesetz II.
Beschlagnahme verdächtiger Vermögen geplant
Die Leerstellen könnten dann geschlossen werden. Es soll, wahrscheinlich angesiedelt beim Zoll, eine "zentrale Bundesorganisation" geschaffen werden, "die willens und in der Lage ist, sich um die Durchsetzung der Sanktionen zu kümmern". Gemeinsam mit dem BKA, so Fiedler, könnten dann Experten endlich mit dem nötigen Know-how an die Arbeit gehen und sanktionierte Vermögen ebenso wie Geldwäscher aufspüren.
Schwerer ins Gewicht fallen wird aber der Vorschlag zur Einziehung verdächtiger Vermögen bis hin zur Enteignung. Der Staat, sagt Fiedler, wird bei "verdächtigen Vermögenswerten" einen Auskunftsanspruch haben. "Und wenn derjenige, der da offiziell eingetragen ist, nicht sagt, woher das Vermögen kommt, ist es weg." Unterstützt wird die Forderung auch von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die schon im Mai einen entsprechenden Antrag einbrachte.
Markus Herbrand, der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, macht jedoch klar, dass derart rigorose Maßnahmen auf sanktionierte Personen beschränkt bleiben sollen. "Eine Schnüffeldatenbank, die sämtliche Vermögenswerte und deren Besitzer unter Generalverdacht stellt und damit unter Erklärungsdruck setzt", wäre nach seiner Meinung der falsche Weg.