Polizisten stehen vor einer Gaststätte.
exklusiv

Rechtsterrorismus Ermittlungen gegen Thüringer NPD-Landeschef

Stand: 13.06.2023 17:59 Uhr

Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu der Thüringer Neonazi-Kampfsportgruppe "Knockout 51" haben laut NDR enge Verbindungen von Terrorverdächtigen zur NPD ergeben. Gegen den harten Kern von "Knockout 51" wurde jüngst Anklage erhoben.

Von Julian Feldmann, Sebastian Heidelberger und Timo Robben, NDR

Die Bundesanwaltschaft ermittelt im Umfeld der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppe "Knockout 51" in Eisenach weiter gegen zehn Verdächtige. Nach Informationen des Rechercheformats STRG_F (NDR/funk) steht bei den Ermittlungen mit Patrick Wieschke auch der Thüringer Landesvorsitzende der rechtsextremen NPD im Fokus. Jüngst nannte sich die Partei in "Die Heimat" um.

Gegen den harten Kern der Gruppierung hatten die Terrorermittler jüngst Anklage erhoben. Die Ermittler sehen Wieschke als Unterstützer von "Knockout 51". Die neun weiteren Beschuldigten sollen Mitglieder der Vereinigung gewesen sein. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage laufende Ermittlungen gegen weitere Verdächtige, ohne jedoch Details zu nennen.

Anklage im Mai erhoben

Gegen den mutmaßlichen Rädelsführer Leon R. und drei weitere Mitglieder der rechtsextremen Kampfsport-Gruppe hatte die Bundesanwaltschaft im Mai Anklage erhoben. "Knockout 51" soll laut Anklage seit ihrer Gründung im Jahr 2019 eine kriminelle Vereinigung dargestellt haben. Ab April 2021 soll sich die Gruppe dann zu einer terroristischen Vereinigung gewandelt haben.

Der Grund: Ab diesem Zeitpunkt sollen die Mitglieder politisch-motivierte Tötungsdelikte ins Auge gefasst haben. Aus diesem Grund habe "Knockout 51" Angriffe ihres politischen Gegners provoziert. Bei den Auseinandersetzungen wollten die Neonazis - davon ist die Bundesanwaltschaft überzeugt - tödliche Gewalt gegen die Linken einsetzen und diese wohl als Notwehr aussehen lassen. Die 51 im Namen der Gruppe steht für den fünften und ersten Buchstaben des Alphabets: "EA" - das Kfz-Kennzeichen Eisenachs.

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen waren offenbar eng mit der NPD verbandelt. Als Trainingsort fungierte für die Kampfsportler das Eisenacher "Flieder Volkshaus", die NPD-Landeszentrale in Thüringen. Der mutmaßliche "Knockout 51"-Chef Leon R. soll dort zusammen mit Wieschke ideologische Schulungen durchgeführt haben, ergaben die Ermittlungen.

Mitglieder von "Knockout 51" sollen zudem Ordnerdienste bei Veranstaltungen im "Flieder Volkshaus" übernommen haben. Leon R. sitzt nach STRG_F-Recherchen im Vorstand des Trägervereins des "Flieder Volkshauses", andere "Knockout 51"-Aktivisten sind Mitglieder.

Eingliederung in NPD-Jugend?

Außerdem hatte es Ende 2021 Gespräche zwischen R. und der NPD-Jugendorganisation über eine mögliche Eingliederung der Kampfsportler in die Parteijugend gegeben, wie aus abgehörter Kommunikation hervorgeht. "Knockout 51" verkündete kurze Zeit nach den Gesprächen mit der NPD-Jugend tatsächlich öffentlich die Selbstauflösung. Zum Schein - da sind sich die Ermittler sicher.

In der Eisenacher NPD-Zentrale "Flieder Volkshaus" soll Leon R. außerdem "Baumaßnahmen" vorgenommen haben. Diese sollten dazu dienen, möglichen Angreifern aus der linken Szene Fluchtwege abzuschneiden, heißt es in Ermittlungsunterlagen, die STRG_F einsehen konnte. So sollte die NPD-Zentrale für die Angreifer zu einer "Falle" werden.

Aus einem abgehörten Gespräch geht hervor, dass sich Mitglieder von "Knockout 51" auch über ihre Gewalt- und Mordphantasien austauschten. Nach der "Revolution", höhnten die Neonazis am Tag der Bundestagswahl 2021 etwa, würden Linke an den Straßenlaternen aufgehängt werden.

Gewaltbereitschaft "sehr hoch"

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Gewaltbereitschaft innerhalb der Neonazi-Szene derzeit grundsätzlich als "sehr hoch" ein. "Gewalttätige Übergriffe von Rechtsextremisten auf tatsächliche und vermeintliche Linksextremisten werden in der gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene als legitime Form der Auseinandersetzung angesehen", sagt ein Sprecher des Verfassungsschutzes STRG_F. Auch demokratische Politiker und zivilgesellschaftliche Akteure zählen die Neonazis demnach zu den "Linksextremisten".

Das Thüringer Oberlandesgericht in Jena muss noch über die Zulassung der Anklage gegen die vier Hauptverdächtigen entscheiden. Seit April vergangenen Jahres sitzen sie in Untersuchungshaft. Ihre Verteidiger ließen Anfragen zu dem Verfahren unbeantwortet. Auch Patrick Wieschke sowie der Trägerverein der NPD-Zentrale wollten sich auf Nachfrage von STRG_F nicht zu den Vorwürfen äußern.