Passgebühren für Syrer Finanzspritze für Assads Krieg?
Trotz Kritik müssen syrische Geflüchtete regelmäßig ihren Pass in der Botschaft Syriens verlängern lassen, um auf deutschen Ämtern ihre Identität nachzuweisen. Die Gebühren zählen zu den höchsten weltweit. Damit fließen Millionenbeträge nach Syrien.
Von Katrin Kampling und Amir Musawy, NDR
Mehr als 60 Menschen stehen in klirrender Kälte und Nieselregen vor der syrischen Botschaft in Berlin an, um ihren Reisepass verlängern zu lassen. Diese bürokratische Hürde verlangen deutsche Ausländerbehörden von ihnen. So werden die Geflüchteten gezwungen, die Botschaft des Landes zu betreten, aus dem sie zuvor vor Krieg und Verfolgung geflohen sind.
"Ohne einen gültigen Pass wird meine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert", sagt ein junger Student. "Ohne Aufenthaltserlaubnis fliege ich von der Uni und muss das Land verlassen." Wie ihm geht es vielen Syrerinnen und Syrern, die nach 2015 nach Deutschland gekommen sind. Sie haben nur den sogenannten subsidiären Schutz erhalten, gelten also nicht als individuell verfolgt und erhalten kein Asyl. Deshalb müssen sie regelmäßig ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen. Dafür verlangt der deutsche Staat von ihnen einen gültigen syrischen Reisepass zur Identifikation.
Lukrative Einnahmequelle für das Regime
Es ist ein Zwang, den das syrische Regime zu nutzen weiß. Mittlerweile verlangt es 750 Euro für die Ausstellung eines Express-Reisepasses inklusive Postversand, wobei "Express" immer noch einige Wochen Wartezeit bedeutet, und der Pass nur zwei Jahre gültig ist. Zum Vergleich: Ein deutscher Express-Pass im Ausland kostet 173 Euro und ist zehn Jahre gültig.
Für das Regime in Damaskus bedeutet dieses Prozedere Einnahmen in Millionenhöhe. Wenn die rund 170.000 syrischen Geflüchteten mit subsidiärem Schutzstatus ihren Pass nur einmal verlängern müssen, nimmt das Regime in Damaskus bereits 127 Millionen Euro ein.
"Das können wir politisch und moralisch nicht verantworten", sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von ProAsyl im Interview mit Panorama 3. "Letztendlich stehen wir hier in Deutschland vor einer Frage: Welche Botschaften wollen wir in der Welt setzen? Mit so einer Botschaft sagen wir weltweit, dass wir das syrische Regime unterstützen - mit Millionenbeträgen." Aus seiner Sicht finanziert die Bundesrepublik so indirekt den Krieg in Syrien mit.
Das zuständige Bundesinnenministerium schreibt dazu, jeder Staat habe das Recht, die Passgebühren selbst festzulegen, und erläutert: "Infolgedessen wird es nach geltendem deutschem Recht als zumutbar betrachtet, für behördliche Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu entrichten."
Ausnahmen nur im Einzelfall
Für viele Geflüchtete sind nicht nur die Kosten für die Passvergabe hoch, für sie ist schon der Besuch in der Botschaft aus Angst vor dem Assad-Regime eine Zumutung. Einige weigern sich schlicht, in der Botschaft vorstellig zu werden - wie der Wittmunder Klimatechniker Mohamad Bibo. Er gilt in Syrien als fahnenflüchtig, seit er mit seiner Familie vor einem Einberufungsbescheid geflohen ist. "Ich habe Angst, meine Familie nicht wiederzusehen", sagt er. Wenn die syrischen Behörden beschließen würden, ihn in der Botschaft festzunehmen, könne schließlich niemand eingreifen, befürchtet Tareq Alaows. Deserteuren droht in Syrien lange Haft, manchmal auch die Todesstrafe.
Zudem sind die Folgen für Verwandte außerhalb Deutschlands schwer einzuschätzen, sagt Tareq Alaows von ProAsyl. Auch wenn Mohamad Bibo nichts passiere. "Wenn er Familie in Syrien hat, wird diese Inhaftierung oder Befragung durch die Geheimdienste befürchten." Durch seine Beratungstätigkeit kenne er einige Fälle, in denen genau das passiert sei. Diejenigen Geflüchteten, die trotzdem in die Botschaft gingen, würden zum Teil retraumatisiert. Das Bundesinnenministerium schreibt dazu, in Einzelfällen könnten Ausnahmen von der Passpflicht gemacht werden.
Eine Lösung lässt auf sich warten
Eigentlich könnte das Problem längst der Vergangenheit angehören. Der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer führte die Passpflicht 2018 mittels eines Rundschreibens an die Bundesländer ein. Die jetzige Bundesinnenministerin Nancy Faeser könnte die Regelung mit einem weiteren Rundschreiben leicht kassieren. "Die Koalition hat immer von einem Paradigmenwechsel gesprochen in der Migrationspolitik", sagt Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut, "bis dato ist nichts passiert." Es fehle schlicht der politische Wille.
Viele Geflüchtete können andere Ausweisdokumente wie einen Führerschein oder Personalausweis vorlegen. "Wenn es um die Identitätsklärung geht, gibt es viele andere Möglichkeiten", sagt Tareq Alaows. Viele Geflüchtete befürchten, es könnte einen anderen Grund für die Passpflicht geben: Denn nur mit Reisepass können sie später, sollte der Krieg in Syrien enden, abgeschoben werden.
Das Bundesinnenministerium nennt mehrere Gründe für die Passpflicht der Syrer, räumt aber ein, dass die Passpflicht auch für "Rückkehrfragen" von Interesse sei. Denn ohne einen gültigen Pass, kann man nicht abschieben. Ein neues Gesetz zur Identitätsklärung von Ausländerinnen und Ausländern sei "in Vorbereitung", eine Zwischenlösung nicht geplant. So lange bleiben die Syrerinnen und Syrer gezwungen, ihren Pass in der Botschaft zu verlängern und damit das Regime finanziell zu unterstützen, vor dem sie geflohen sind.