Rechtsextremismus Ermittlungen gegen Martin Sellner
Der österreichische Rechtsextremist Sellner inszenierte Anfang des Jahres seine Einreise nach Deutschland mit Berichten in sozialen Medien - das hat ein juristisches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft in Wien ermittelt.
Es wirkt, als hätte Martin Sellner die Inszenierung gesucht: Es war Ende Januar 2024, als der österreichische Rechtsextremist zum Teil live in sozialen Medien von seinem Grenzübertritt nach Deutschland berichtete. Zuvor hatte es in Berichten geheißen, gegen ihn werde eine Einreisesperre geprüft. Aber stimmte das auch?
Letztendlich durfte Sellner, einer der führenden Köpfe der sogenannten Neuen Rechten, nach einer Grenzkontrolle nach Bayern einreisen. Sellner triumphierte im Livestream. Doch es gibt ein Nachspiel. Der Österreicher hatte nämlich einen telefonischen Austausch mit einem deutschen Polizisten aufgenommen und veröffentlicht.
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt jetzt gegen Sellner, wie sie auf Anfrage von WDR, NDR und dem österreichischen Nachrichtenmagazin profil bestätigte. Einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft zufolge besteht der Verdacht auf einen möglichen "Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten". Der mögliche Strafrahmen beträgt bis zu einem Jahr Haft oder eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen.
Sellners Anwalt rechnet mit Einstellung
Sellner beantwortete eine Anfrage von WDR und NDR mit Aussagen seines Anwalts. Dieser erklärte dazu, dass er mit einer Einstellung des Verfahrens rechne. Den grundsätzlichen Vorgang streite er jedoch nicht ab. Demnach habe Sellner das Telefonat so verfremdet, "dass aus Sicht meines Mandanten keine Verbindung zum Gesprächspartner herstellbar war".
Zudem sei die Veröffentlichung aus Sicht des Anwalts durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt, da Sellner mit seinem "Dokumentarfilm" einen "Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse" geleistet habe.
Sellners Einreiseversuch Anfang des Jahres war medial breit thematisiert worden, nachdem zuvor sein Auftritt beim sogenannten "Potsdamer Treffen" bekannt geworden war. Bei dieser Veranstaltung hatte Sellner einen sogenannten "Remigrations"-Plan für viele Menschen mit Migrationshintergrund vorgestellt.
Nachdem das Recherchenetzwerk "Correctiv" Inhalte des Treffens öffentlich gemacht hatte, gingen deutschlandweit Hunderttausende Menschen auf die Straßen, um gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zu demonstrieren.
Offenbar Anzeige aus der Bundespolizei
Nach Informationen von WDR und NDR soll eine Anzeige aus der Bundespolizei den Vorgang ins Rollen gebracht haben. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Passau Ermittlungen wegen des Vorwurfs der "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" eingeleitet.
Schließlich hatte die Behörde das Verfahren an die Staatsanwaltschaft in Wien abgetreten. Das für die Bundespolizei zuständige Bundesinnenministerium in Berlin hatte sich auf Anfrage zurückhaltend geäußert: Zu konkreten Einzelfällen der Erstattung von Strafanzeigen nehme das Bundesinnenministerium aus "grundsätzlichen Erwägungen" keine Stellung.