Panama Papers "Briefkastenfirmen sind Putins beste Freunde"
Die Veröffentlichung der Panama Papers 2016 ermöglichte einen Blick in der Offshore-Welt aus Briefkastenfirmen und Steueroasen. Der Whistleblower, der die Daten übermittelte, äußerte sich nun in einem "Spiegel"-Interview.
Enthüllt wurden die Panamapapers durch einen Whistleblower, der sich John Doe nannte und der sich 2015 bei der "Süddeutschen Zeitung“ (SZ) gemeldet hatte. "John Doe" spielte den damaligen SZ-Reportern Bastian Obermayer und Frederik Obermaier mehr als 2,6 Terabyte geheimer Daten der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca zu.
Seitdem war von ihm kaum etwas zu hören. Nur einmal meldete er sich mit einem Manifest zu Wort, in dem er die Politik zum Handeln aufrief, um die globale Ungleichheit zu bekämpfen. Sonst könne die Welt in "eine schwere Instabilität" geraten. Briefkastenfirmen und Steueroasen seien ein zentrales Instrument, mit dem Ungleichheit auf der Welt zementiert werde.
Nun hat sich "John Doe" ausführlich zu Wort gemeldet, in einem exklusiven Interview, das er den beiden Reportern von damals gegeben hat, die inzwischen für den "Spiegel" arbeiten: Er befürchte, die Instabilität, vor der er schon vor Jahren gewarnt hatte, sei nun eingetroffen. Seine Identität hält er bis heute streng geheim, aus Angst, Staaten oder Kriminelle könnten sich an ihm rächen.
Die Panama Papers sind ein 2,6 Terabyte großes Datenleak, mit dem die geheimen Geschäfte des panamesischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca am 3. April 2016 öffentlich wurden. Die Daten gingen bei der "Süddeutschen Zeitung" ein und wurden mithilfe des Internationalen Konsortiums Investigativer Journalisten (ICIJ) von Journalisten weltweit ausgewertet, in Deutschland von NDR, WDR und SZ.
Die 115 Millionen Dokumente enthüllten 214.000 Briefkastenfirmen und warfen ein grelles Schlaglicht auf die Nutzer von anonymen Briefkastenfirmen. Drogenkartelle, Steuerhinterzieher und Organisierte Kriminalität kamen zum Vorschein, aber auch Staatenlenker. Nach den Enthüllungen mussten unter anderem der isländische Premierminister David Gunnlaugsson und der pakistanische Premier Nawaz Sharif ihre Ämter aufgeben. In London, Reykjavik und weiteren Städten gab es Demonstrationen. Weltweit wurden tausende Ermittlungen eingeleitet. In der Welt der Briefkastenfirmen gelten seither mancherorts strengere Regeln. Die Ermittler verschiedenster Länder holten inzwischen zusammen mehr als 1,3 Milliarden Dollar an entgangenen Steuereinnahmen zurück.
"Die russische Regierung will mich tot sehen"
"Faschismus und Autoritarismus steigen weltweit auf", so "John Doe" im "Spiegel"-Interview. Russlands Präsident Wladimir Putin sei eine der größten Bedrohungen für die Vereinigten Staaten, "und Briefkastenfirmen sind seine besten Freunde".
Die Panama Papers hatten unter anderem enthüllt, wie über den inzwischen sanktionierten Putin-Vertrauten Sergej Roldugin Millionen Euro über Briefkastenfirmen verschoben worden waren - einer von vielen Finanzströmen, die dem engsten Freundes- und Familienkreis des russischen Präsidenten zugeschrieben werden konnten.
"John Doe" sagt, solange es Briefkastenfirmen gebe, über die Besitzer ihre Aktivitäten verschleiern und sich der Verantwortung dafür entziehen können, sei kaum etwas erreicht. "Ohne Rechenschaft können Gesellschaften nicht funktionieren." Briefkastenfirmen seien überall involviert, etwa wenn über sie das russische Militär mitfinanziert werde.
Die Sanktionierung von Wladimir Putins Freund Roldugin habe ihn gefreut, so der Whistleblower. Gleichzeitig fürchte er die Rache Russlands: "Die russische Regierung will mich tot sehen." Russische Medien hätten ein Doku-Drama über die Panama Papers veröffentlicht, in dem es einen fiktiven Whistleblower gegeben habe, der gefoltert worden sei. "Subtil war das nicht", so "John Doe".
Enttäuschung über westliche Staaten
Hinter Briefkastenfirmen könnten sich auch internationale Großkonzerne gut verstecken: "Etwa chinesische Konglomerate, die beispielsweise den Tod minderjähriger Kobaltschürfer im Kongo mit zu verantworten haben. Briefkastenfirmen machen so etwas möglich, weil sie ihre Besitzer verschleiern und somit von der Rechenschaftspflicht befreien", so "John Doe".
Von westlichen Ländern zeigte er sich schwer enttäuscht: "Ich war von Anfang an bereit, mit den Regierungsbehörden zusammenzuarbeiten, weil mir klar war, dass die in den Panama Papers beschriebenen Verbrechen strafrechtlich verfolgt werden müssen." Das deutsche Bundeskriminalamt soll laut Medienberichten fünf Millionen Euro für die Daten bezahlt haben und länderspezifische Daten an andere Staaten weitergegeben haben.
"Wichtig sind Offshore-Gesellschaften und Trusts"
Doch insgesamt sei viel zu wenig passiert, so der Whistleblower: "Leider haben weder die Regierungen Deutschlands noch der Vereinigten Staaten großes Interesse an den Panama Papers bekundet."
In der gegenwärtigen Situation, in der zahlreiche erst kürzlich erlassene Sanktionen durchgesetzt werden müssen, konzentrierten sich die Regierungen lieber auf Jachten von reichen Russen. "Offen gesagt, sind Jachten nicht sehr wichtig, abgesehen vom symbolischen Wert. Wichtig sind Offshore-Gesellschaften und Trusts."
Kritik am BKA
Gegen das deutsche Bundeskriminalamt erhebt der Whistleblower eine Reihe von Vorwürfen: Die Behörde habe sich nicht an die finanziellen Vereinbarungen mit ihm gehalten. Dies habe zu Problemen geführt, die seine Sicherheit gefährdet hätten. Auch sei er von den Behörden nicht ausreichend geschützt worden. Außerdem habe das BKA wiederholt die Möglichkeit abgelehnt, über die Panama Papers hinaus weitere Daten über die Offshore-Welt auszuwerten.
Auf Anfrage wollte das BKA zu den Umständen der Datenerlangung keine Angaben machen. Das Amt teilte außerdem mit, neben den Panama Papers sei es in den Besitz von Daten gelangt, die in der Öffentlichkeit unter den Namen Offshore-Leaks, Paradise Papers, Swiss-Leaks und Bahamas Leaks bekannt wurden. Insgesamt handele es sich um mehrere Millionen Dokumente, die in der Sonderkommission "BAO Olet" ebenfalls auf strafrechtliche und steuerrechtliche Tatbestände geprüft werden.
Auch nach 2018 sei das BKA in den Besitz weiterer Finanzdatenleaks gelangt und habe entsprechende pressebekannte Ermittlungsverfahren geführt. Das BKA besitze seit 2017 eine der umfangreichsten Datenbestandssammlungen von Finanzdatenleaks und werte diese in enger Zusammenarbeit insbesondere mit der Finanzverwaltung aus.
Unternehmensregister weltweit zugänglich machen
Über die Folgen der Veröffentlichung der Panama Papers sei er dennoch verblüfft gewesen, sagt "John Doe": "Was das ICIJ erreicht hat, ist beispiellos, und ich bin sehr erfreut, und auch stolz, dass wegen der Panama Papers bedeutende Reformen stattgefunden haben. Traurigerweise reicht all das noch immer nicht."
Es brauche weltweit öffentlich zugängliche Unternehmensregister, von den Britischen Jungferninseln in der Karibik bis Delaware in den Vereinigten Staaten, damit sich niemand mehr hinter anonymen Briefkastenfirmen verstecken könne - daran könne nach dem Leak kein Zweifel mehr bestehen: "Und wenn Ihr Widerstand dagegen hört, dann hört ihr den Sound eines Politikers, der entlassen werden sollte."