Silhouette eines Funkmasts in der Gegensonne
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Einigung mit Betreibern Huawei soll weitgehend aus 5G-Netz entfernt werden

Stand: 10.07.2024 16:05 Uhr

Die Bundesregierung und Netzbetreiber haben sich laut Recherche von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung geeinigt: Das 5G-Mobilfunk-Netz soll nach einer Übergangsphase bald weitgehend ohne chinesische Komponenten auskommen.

Von Manuel Bewarder, NDR/WDR

Nach jahrelangem Streit gibt es jetzt offenbar eine Einigung über den Umgang mit chinesischen Anbietern beim wichtigen 5G-Mobilfunk-Netz. Das zeigt eine Recherche von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung. Demnach haben Regierungsvertreter und Mobilfunkanbieter in dieser Woche bei einem Treffen beschlossen, dass in einem ersten Schritt das sogenannte Kernnetz im Jahr 2026 von bereits verbauten Komponenten chinesischer Hersteller wie Huawei oder ZTE befreit werden soll. Den Informationen zufolge soll geplant sein, diese Einigung in Kürze mit allen Details nochmal schriftlich zu besiegeln.

Beim Kernnetz handelt es sich um die zentralen 5G-Rechenzentren für die Datenverarbeitung und -übertragung - dort kommen also viele Informationen zusammen über den Internetverkehr. Wie die Netzkonzerne Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica in der Vergangenheit bereits angegeben hatten, haben sie beim Kernnetz schon vorausschauend weitestgehend auf chinesische Technologie verzichtet.

Offenbar längere Übergangsfristen

Der zweite zentrale Punkt der Einigung sieht der Recherche zufolge vor, dass bis Ende 2029 das Zugangsnetz weitgehend ohne chinesische Komponenten auskommen soll. Hierzu zählen zum Beispiel die Funkmasten. Das Management des Zugangsnetzes soll dann wohl komplett frei von diesen Komponenten sein.

Bei Verstößen gegen diesen Fahrplan sollen Vertragsstrafen vorgesehen sein. Zudem soll ein "Pakt für offene Schnittstellen" angestoßen werden, damit die Hardware der Masten und deren Steuerungssoftware auch von zwei verschiedenen Anbietern geliefert werden könnten.

Bisherige Pläne der Bundesregierung hatten deutlich kürzere Fristen vorgesehen: So sollten chinesische Bauteile aus dem Kernnetz nach ursprünglichem Plan bis Ende 2025 entfernt werden, aus dem Zugangsnetz bis 2026.

Sorge vor chinesischer Marktmacht

Die Einigung zwischen der Industrie und dem für die Regierung verhandelnden Innenministerium bedeutet, dass die Politik jetzt doch kein schnelles Verbot von chinesischen Herstellern durchsetzt. Dennoch kommt die jetzt getroffene Abmachung einer starken Einschränkung von Huawei und ZTE gleich. Grundlage dafür sind Bedenken in der Bundesregierung, dass deren Marktmacht bei einem Konflikt mit China zu Störungen der Infrastruktur in Deutschland führen könnte.

Die Mobilfunkanbieter hatten bei den Verhandlungen wiederum vor allem auf angemessene Übergangsfristen gepocht - diese sind nun verabredet. Auf Anfrage verwies die Telekom auf die Bundesregierung. Telefónica erklärte, man äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Gesprächen mit Behörden. Vodafone reagierte zunächst nicht.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, die Prüfung des Hauses zu kritischen Komponenten in 5G-Mobilfunk-Netzen gehe voran und solle in Kürze abgeschlossen sein. Es gebe eine Entscheidung über das weitere Vorgehen, das Innenministerium führe aktuell Gespräche mit allen beteiligten Netzbetreibern. Zu Einzelheiten könne man sich noch nicht äußern.

Die 5G-Technologie gilt heute als eine der wichtigsten Infrastrukturen: Man versteht darunter den neuen und sehr schnellen Mobilfunkstandard, der für die Vernetzung von immer mehr Bereichen des Lebens notwendig ist - wie zum Beispiel Kommunikation, Energieversorgung oder Logistik. Im Innenministerium wird das 5G-Netz auch als "Zentralnervensystem" des Wirtschaftsstandortes Deutschland betrachtet.

Fehler bei 5G vermeiden

Für die Bundesregierung und Sicherheitsbehörden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) oder den Bundesnachrichtendienst ist es deshalb wichtig, die 5G-Infrastruktur zu schützen. Nach dem Start des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine habe sich laut Regierungskreisen gezeigt, wie abhängig Deutschland von der Gasversorgung aus Russland war. Ein solcher Fehler soll bei 5G vermieden werden.

Die Diskussion, wie vertrauenswürdig chinesische Komponenten sind, hält seit Jahren an: In der Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte man einen strikten Ausschluss per Gesetz abgelehnt - aber eine Hintertür gelassen: Das IT-Sicherheitsgesetz von 2021 sieht eine Vertrauensprüfung der Wettbewerber vor, die über rein technische Fragen hinausgeht.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen droht weniger die Gefahr der Spionage - dass also heikle Informationen nach China abfließen. Als zentrales Argument sieht die Bundesregierung vielmehr die extreme Marktmacht von chinesischen Anbietern, die wiederum gesetzlich eng an das Regime gebunden sind. Eine Analyse der Telekommunikationsberatung Strand Consult kam 2022 zu dem Ergebnis, dass Huawei in Deutschland für fast 60 Prozent des 5G-Netzes verantwortlich sein soll.

Sicherheitsbedenken wiederholt zurückgewiesen

Huawei selbst hat Sicherheitsbedenken in der Vergangenheit immer wieder zurückgewiesen. Man erklärte, stets verlässlich gewesen zu sein und eine sehr gute Sicherheitsbilanz vorweisen zu können. Huawei und ZTE antworteten auf eine Anfrage zunächst schriftlich nicht.

Die Gespräche zwischen Regierung und den Netzbetreibern waren im vergangenen Jahr zunächst nur zäh vorangekommen. Das lag auch daran, dass die Unternehmen zunächst hohe Schadensersatzforderungen in den Raum gestellt hatten. Diese könnten offenbar geltend gemacht werden, wenn die Politik einen Rückbau von Huawei-Komponenten anordnen würde.

Selbst innerhalb der Bundesregierung hatte der Umgang mit Huawei bis zuletzt für Auseinandersetzungen gesorgt. Vor allem das von FDP-Minister Volker Wissing geführte Digitalministerium lehnte eine harte Gangart mit kurzen Fristen ab. Die Begründung: Man fürchte, dass bezahlbarer und schneller Netzausbau kaum möglich sei, wenn man auf die günstigen und leistungsstarken Komponenten aus China verzichten müsse.

Auf der anderen Seite drängten das Innenministerium von Nancy Faeser (SPD), das Außenministerium von Annalena Baerbock (Grüne) und das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) hinter den Kulissen auf eine schnelle und konsequente Lösung. Anders als im Verkehrsministerium befürwortete man die strengen Regeln und war überzeugt: Neben der Sicherheit werde auch die Verfügbarkeit der Netze gewährleistet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 10. Juli 2024 um 18:02 Uhr.