Plug-in-Hybride Mogelpackung statt Klimaschutz?
Pkw mit Verbrennungsmotor und Elektroantrieb werden als Beitrag zum Klimaschutz gefördert. Wissenschaftler und Umweltverbände sprechen jedoch von einer "Mogelpackung". Bei der Förderung gehe es um etwas ganz anderes.
Hubert Rehahn wollte ein modernes, sparsames und klimafreundliches Auto: Vor drei Jahren kaufte sich der Immobilienverwalter aus Eschweiler bei Aachen einen Mercedes-Benz GLC 350e - einen Plug-in-Hybrid mit 320 PS und einem Verbrauch von rund 2,5 Litern auf 100 Kilometer. So steht es in den Papieren.
Rehahn wusste, dass solche Werte tatsächlich nicht erreichbar sein würden. "Tatsächlich verbraucht der Wagen auf langen Autobahnstrecken zehn Liter, bei täglichen Fahrten im Nahbereich zwischen acht und neun Litern", sagt Rehahn. Und: Die rein batterieelektrische Reichweite ist bei dem gut 70.000 Euro teuren Auto inzwischen so marginal, dass sie kaum noch ins Gewicht fällt. 34 Kilometer Reichweite standen im Prospekt. Aktuell zeigt der Bordcomputer im vollgeladenen Zustand nur noch 27 Kilometer an. Doch bei einer Probefahrt mit dem ARD-Magazin Monitor im November ist schon nach 13 Kilometern Schluss - dann schaltet der Motor auf den Verbrenner um.
Eklatante Widersprüche zu realem Verbrauch
Dass die Ladekapazität der Batterie nach einer gewissen Zeit nachlasse, sei normal, schreibt Mercedes-Benz. Im Übrigen sei wohl Rehahns Fahrweise für den deutlichen Mehrverbrauch verantwortlich: Der tatsächliche Verbrauch und die elektrische Reichweite seien "abhängig von den individuellen Fahr-, Strecken- und Umweltbedingungen". Hubert Rehahn jedenfalls fühlt sich getäuscht: Sein angeblich klimafreundliches Auto entpuppte sich eher als CO2-Schleuder.
Prof. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management der Fachhochschule Bergisch Gladbach, überrascht das nicht: "Wir stellen ganz klar fest, dass diese Normverbräuche von Plug-In-Hybriden im eklatanten Widerspruch stehen zu den Realverbräuchen, die teilweise um das zwei- bis dreifache höher sind." In den meisten Fällen werde der Klimaschutz nur auf dem Papier erreicht - nicht in der Realität.
Auch Jens Hilgenberg, Spezialist für Verkehrspolitik beim Umweltverband BUND, kritisiert: "Mit diesen offiziellen Verbrauchs- und CO2-Werten für Plug-in-Hybride begeht die Industrie Augenwischerei - sich selbst, der Politik und den Kundinnen und Kunden gegenüber."
Hersteller: Erheblicher Beitrag zur CO2-Reduzierung
Die Autohersteller sehen das naturgemäß anders. Für den Verband der Automobilindustrie (VDA) leisten Plug-in-Hybride "einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung. Sie sind daher unverzichtbar, um die anspruchsvollen Klimaziele zu erreichen."
Tatsächlich könnten kleine und leichte Plug-in-Hybride, die für kurze Strecken wie dem täglichen Arbeitsweg genutzt und überwiegend elektrisch betrieben werden, durchaus einen positiven Effekt auf die Klimaschutzziele haben - darin sind sich die Kritiker einig. Nicht aber tonnenschwere SUVs und Limousinen, die viel Strom oder Treibstoff verbrauchen und täglich lange Strecken zurücklegen. Aktuell bringen die Hersteller aber vor allem solche Plug-in-Hybride auf den Markt: PS-starke Autos, die eher für die Langstrecke und als Dienstwagen eingesetzt werden.
Auch Sportwagenhersteller wie Lamborghini bieten Plug-in-Hybrid-Modelle an - der Nutzen für die Umwelt ist jedoch mehr als fraglich.
Zuschuss für Plug-in-Hybride erhöht
Dennoch hält die Regierung an der Förderung fest: Gerade erst hat sie beschlossen, den Zuschuss beim Kauf von Elektrofahrzeugen zu erhöhen - für "Plug-In-Hybride" auf bis zu 4500 Euro pro Fahrzeug. Die Industrie zahlt die Hälfte dieses so genannten "Umweltbonus". Hinzu kommt eine massive Förderung über die Dienstwagenbesteuerung: Der "geldwerte Vorteil" für die Privatnutzung von Dienstwagen wird bei Plug-in-Hybriden im Verhältnis zum klassischen Verbrenner halbiert. Bei einem Dienstwagen für 60.000 Euro bedeutet das schnell eine Ersparnis von 100 Euro und mehr - pro Monat.
Für Bratzel setzt die Bundesregierung damit erhebliche Fehlanreize: "Die Steuervorteile führen dazu, dass viele Dienstwagenfahrer einen Plug-In-Hybrid haben wollen, obwohl sie gar nicht das Fahrprofil haben. Das bringt nichts für die Umwelt und kostet den Steuerzahler viel Geld."
Erfahrung aus den Niederlanden
Erfahrungen aus dem Ausland bestätigen das: Die Niederlande fördern Plug-in-Hybride als Dienstwagen schon seit drei Jahren nicht mehr. Das niederländische Verkehrsministerium schreibt auf Monitor-Anfrage, die Autos seien meist mit dem Verbrennungsmotor unterwegs gewesen: "Deshalb war die CO2-Einsparung marginal".
Für Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) kein Wunder: "Gerade die Erfahrungen in den Niederlanden haben gezeigt, dass die Dienstwagenfahrer dank Tankkarte wenig auf den Verbrauch achten und schon gar nicht elektrisch nachladen - das heißt, die fahren fast nur im Spritmodus, und entsprechend hoch sind die Verbräuche."
Deshalb fordern Experten, die Förderung von Plug-in-Hybriden von deren Nutzung abhängig zu machen: Wer die Förderung haben will, solle nachweisen, dass er den Wagen wirklich klimaschonend - also vorwiegend auf kurzen Strecken und elektrisch - einsetzt. Doch die Bundesregierung weist das zurück: "Ordnungspolitische Ansätze sind unter datenschutzrechtlichen Aspekten schwierig umzusetzen und würden zu mehr Bürokratie und Kontrollaufwand führen - beides wollen wir vermeiden", schreibt das Wirtschaftsministerium auf Monitor-Anfrage.
Hilfe für die Hersteller statt für das Klima?
Kritiker monieren, der Bundesregierung gehe es bei der Förderung von Plug-in-Hybriden gar nicht um den Klimaschutz. Vielmehr solle damit der Automobilindustrie geholfen werden, die europäischen Grenzwerte bei den Pkw-Emissionen einzuhalten. Künftig dürfen in Europa verkaufte Neuwagen im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren - das entspricht einem Durchschnittsverbrauch von etwa 4,1 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer.
Plug-in-Hybride mit einem Normverbrauch von unter zwei Litern senken die Durchschnittsemissionen eines Herstellers also beträchtlich. "Die Förderung hilft nicht dem Klima, sondern nur den Herstellern dabei, die CO2-Grenzen einzuhalten und am Ende saftigen Strafzahlungen zu entgehen", so Jens Hilgenberg vom BUND.