Ein Landwirt fährt mit einer Pestizid- und Düngerspritze über ein Feld
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Nach ARD-Recherchen zu Pestiziden NGOs fordern FAO-Kehrtwende bei Pestiziden

Stand: 26.07.2023 18:07 Uhr

Obwohl die UN-Ernährungsorganisation FAO in Pestiziden nur ein "letztes Mittel" sieht, gibt ihr chinesischer Chef Qu diese weiterhin massenweise frei. Nun fordern elf NGOs - auch aufgrund von ARD-Recherchen - diese Strategie aufzugeben.

Elf Nicht-Regierungsorganisationen haben in einem Brief den Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), Qu Donyu, dazu aufgefordert, Führung bei der schrittweisen Abschaffung hochgefährlicher Pestizide zu übernehmen und die umstrittene Partnerschaft mit der Industrie zu beenden.

In ihrem Schreiben beziehen sich die Organisationen auf einen investigativen Bericht des ARD-Recherchenetzwerkes von BR, MDR, rbb und SWR, in dem - wie die NGOs schreiben - "aufgedeckt wurde, dass die FAO in der ersten Amtszeit Qus Pestizide in erheblichem Umfang in mehrere Länder geliefert hatte, darunter solche, die in der EU längst verboten sind". Diese Informationen seien sehr besorgniserregend ("highly concerning").

Weitreichende Industriepartnerschaften unter Qu

Der Chinese Qu Dongyu war Anfang Juli von den Mitgliedsstaaten der UN-Sonderorganisation FAO in seinem Amt bestätigt worden. Nachdem er 2019 erstmals gewählt worden war, hatte die FAO einige weitreichende Neuerungen eingeführt.

So ist die Welternährungsorganisation erstmalig offizielle Partnerschaften mit der Industrie eingegangen: zum einen mit dem Industrieverband CropLife, in dem große Agrarchemie-Konzerne wie Bayer und BASF organisiert sind, und zum anderen direkt mit einem einzelnen Konzern der Agrarchemie, dem heute chinesischen Staatskonzern Syngenta. Eine solche Verbindung hatte es in der Geschichte der Welternährungsorganisation bis dahin noch nicht gegeben. In ihrem Brief fordern die NGOs, "endlich die umstrittene Partnerschaft mit der Pestizidindustrie zu beenden".

Qu Dongyu

FAO-Chef Qu ist gerade erst wiedergewählt worden, steht aber massiv in der Kritik.

In der EU verboten - im globalen Süden eingesetzt

In ihrer Dokumentation hatten die ARD-Sender enthüllt, dass die FAO seit 2020 mehr als hundert Pestizidlieferungen für Projekte in Länder des globalen Südens freigegeben hatte, die auf Wirkstoffen beruhen, die in der EU wegen ihrer Toxizität verboten sind. Darunter sind Wirkstoffe wie Paraquat, Chlorpyrifos, Thiram, Atrazin und Acetochlor. Die NGOs kritisieren, dass es gegen Paraquat, das über eine sehr hohe akute Toxizität verfügt, kein bekanntes Gegenmittel gebe. Chlorpyrifos könne schon in kleinen Dosierungen Hirnschäden bei Kindern verursachen.

In der Dokumentation der ARD-Sender hatte der frühere Leiter der FAO-Abteilung Pflanzenproduktion und Pflanzenschutz, Hans Dreyer, bestätigt, dass es solche Pestizidlieferungen in diesem Umfang zu seiner Zeit nicht gegeben habe. Dreyer schied Ende 2019 aus der FAO aus.

Noch viele Fragen unbeantwortet

Weiter heißt es in dem Brief der Nichtregierungsorganisationen: "Wir fordern die FAO auf, Informationen über all diese Pestizidlieferungen in einer regulären und transparenten Weise offenzulegen." Hintergrund ist, dass die FAO die Fragen der ARD-Sender, wie sich die Lieferungen konkret genannter Pestizide rechtfertigen lasse, nicht beantwortet hatte.

Ganz allgemein hieß es lediglich, die freigegebenen Pestizide müssten im Empfängerland zugelassen sein und es dürfe sich nicht um hochgefährliche Pestizide (HHPs) handeln. Die NGOs wiesen in ihrem Brief jedoch darauf hin, dass Stoffe wie Paraquat und Chlorpyrifos sehr wohl als hochgefährliche Pestizide anzusehen seien.

In ihrem Schreiben richten die Nichtregierungsorganisationen einen Appell direkt an den Generaldirektor der Welternährungsorganisation: "Ihre neue Amtszeit als Generaldirektor ist eine neue Chance für die FAO zu zeigen, dass die Pestizidindustrie keinen Einfluss auf ihre Politik und Entscheidungen hat. Alle Geschäfte der FAO mit der Pestizidindustrie müssen einer größeren Transparenz und Rechenschaftspflicht unterliegen".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in "Fakt" am 04. Juli 2023 um 21:45 Uhr.