Eine Kuh wird auf einen Transporter gezogen.
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Vorwurf der Tierquälerei Razzia bei Fleischhändler

Stand: 28.07.2021 08:49 Uhr

Die Polizei hat in Nordrhein-Westfalen mehrere Standorte eines Fleischhändlers durchsucht. Videoaufnahmen zeigen, wie Mitarbeiter Tiere schwer misshandeln. Tierschützer sprechen von einem Systemversagen beim Handel mit kranken Tieren.

Von Matthias Pöls und Knud Vetten, MDR

Wegen des Vorwurfs der Tierquälerei hat die Polizei am Donnerstag an mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen (NRW) Razzien durchgeführt. Eine davon hat in einer sogenannten Sammelstelle für Tiere in Werne im Landkreis Unna stattgefunden. Auf Videoaufnahmen, die der Tierschutzorganisation "Soko Tierschutz" zugespielt wurden, ist zu sehen, wie ein Mitarbeiter dieses Betriebs auf ein Rind einprügelt, bis es zusammenbricht. Das Tier kann offenbar nicht laufen. Anschließend wird es mit einem Seil am Bein per Winde auf einen Hänger geschleift.

"Was der da veranstaltet, dass sucht an Brutalität und Kaltblütigkeit und Verachtung gegenüber diesen Milchkühen seines Gleichen", sagt der Chef der Soko Tierschutz, Friedrich Mülln. Er sei sehr froh, dass die Polizei dementsprechend gehandelt habe.

Leiterin der Tierschutzabteilung entsetzt

In der Tiersammelstelle Werne landen vor allem Rinder und Pferde, bevor sie in einen naheliegenden Schlachthof gebracht werden. Viele sind offensichtlich nicht transportfähig, viele offenbar krank. Das ARD-Magazin FAKT hat die Aufnahmen der zuständigen Tierschutzabteilung im Ministerium von NRW vorgelegt. "Das ist unfassbar. Das ist an Brutalität nicht zu überbieten", sagt die Abteilungsleiterin Sylvia Heesen.

Aus Sicht von Heesen werde durch die Bilder deutlich, dass mit einer extremen Rohheit mit den Tieren umgegangen werde. "Ganz davon abgesehen, dass es illegal ist, transportunfähige Tiere überhaupt verladen zu wollen." Die Fachtierärztin für Tierschutz wolle den Ermittlungen nicht vorweggreifen, aber aus ihrer persönlichen Einschätzung "liegt hier eindeutiges strafrechtliches Handeln vor".

Die Sammelstelle in Werne gehört einem lokalen Familienunternehmen, das auch eine Metzgerei, einen Schlachthof und eine Firma für Tierfutter betreibt: Der Mecke GmbH. Der Geschäftsführer ist für FAKT persönlich nicht anzutreffen und telefonisch nicht erreichbar. Schriftlich antwortet eine Rechtsanwaltskanzlei am Dienstag, dass der von FAKT gezeigte Schlachthof nur Tierfutter erzeuge. Lebensmittel würden in der Metzgerei erzeugt. An allen Standorten lege die Firma höchsten Wert auf "respektvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren".

Ministerium verhängt Umgangsverbot mit Tieren

Die Behörden haben bereits am Freitag erste Sanktionen gegen den Betrieb verhängt: Die Mitarbeiter, die über die Videos identifiziert werden konnten, haben ab sofort ein generelles Umgangsverbot mit Tieren bekommen. Der Betrieb der Sammelstelle wird bis zum Abschluss der Ermittlungen eingestellt. "Das heißt, über diese Sammelstelle werden ab sofort keine Tiere mehr gesammelt und vor allem auch keine Tiere mehr abgefertigt", teilt das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen mit.

Eine der weiteren Razzien hat bei der Viehhandlung Hunecke in Westerkappeln im Tecklenburger Land stattgefunden. Diese Firma soll nicht transportfähige Tiere zum Schlachthof in Werne geliefert haben. Hunecke war bereits 2018 in einen großen Skandal mit kranken Tieren in Bad Iburg (Niedersachsen) verwickelt, berichtet Soko-Chef Mülln.

Auf Aufnahmen von damals ist "ein Viehanhänger von Hunecke zu sehen, der quasi auf täglicher Basis die Tiere mit der Seilwinde rausgezogen hat", sagt Mülln. "Aus den Transportern getreten, geschlagen, mit Elektroschocks misshandelt. Das ist genau die Firma, die jetzt in Werne beim Schlachthof Mecke in Aktion tritt." Die Chefin der Firma war für FAKT nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Grüne: "Massives Problem"

Hinter dieser Tierquälerei stecke System, meint der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Landtag von NRW, Norwich Rüße. Nach seiner Einschätzung beginnt das Problem mit Bauern, die ihre kranken Tiere nicht behandeln lassen, weil das Geld kostet. Stattdessen verkauften sie an Viehhändler, die ihr Geschäft wiederum mit dem Schlachthof machten. Es sei ein System, um Geld aus kaputten Rindern zu machen.

"Jeder weiß, dass die Tiere zum Schlachthof gehen, obwohl sie da nichts mehr verloren hätten", sagt Rüße. Die Tiere seien so abgemagert, dass sie erst einmal wieder aufgepäppelt werden müssten. "Da haben wir im Milchviehsektor ein massives Problem. Im Prinzip ist das die letzte Stufe eines verkorksten, völlig fehl gelaufenen Systems."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Magazin FAKT am 27. Juli um 21:45 Uhr im Ersten