Umstrittene Aussagen zu Asylbewerbern Zahnärztechef widerspricht Merz
Nicht nur in der Politik gibt es Gegenwind für Merz' Aussagen zu Zahnbehandlungen für Asylbewerber - auch der Zahnärztechef widerspricht: Er könne die Äußerungen des CDU-Chefs "nicht nachvollziehen", da gebe es "keinen Zusammenhang".
Die Bundeszahnärztekammer hat die Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz über Zahnarztbehandlungen für Asylbewerber als unzutreffend zurückgewiesen. "Ich kann die Aussagen von Friedrich Merz ehrlich gesagt nicht nachvollziehen", sagte der Präsident der Kammer, Christoph Benz, der "Wirtschaftswoche". "Beim Zahnarzt kriegt man in der Regel problemlos Termine."
Merz hatte am Mittwoch in einer Talkshow des Senders "Welt" gesagt: "Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine."
Dem widersprach Benz und erklärte, dass es "keinen Zusammenhang" gebe. Wartezeiten im ländlichen Bereich seien auf die geringe Zahnarztdichte zurückzuführen. "Wer starke Schmerzen hat, wird aber immer bevorzugt behandelt", betonte der Zahnärztechef und warnte vor "problematischen Pauschalaussagen". "Die derzeit übliche politische Polterei löst keine Probleme."
"Das geht im Regelfall nicht"
Die Behandlung von Geflüchteten und Asylbewerbern verursache "im Moment" auch keine außergewöhnliche Arbeitsbelastung für die Zahnärztinnen und Zahnärzte, so Benz weiter. Im Zuge des Ankommens von Geflüchteten 2015 und 2016 habe es zwar "schon merkbar mehr Arbeit" gegeben, aber damals habe es "viele ungeklärte Sachlagen" gegeben. "Das ist jetzt besser geregelt."
Auch in der "FAZ" widersprach Benz dem CDU-Chef: "Dass sich Geflüchtete massenhaft in Deutschland die Zähne machen lassen, wie Friedrich Merz gesagt hat, das geht im Regelfall nicht." Es gebe vor allem bei kosmetischen Aspekten Einschränkungen bei den Leistungen. Zwar werde bei Schmerzen keine Behandlung verweigert, ein gesetzlicher Anspruch auf Zahnersatz bestehe aber nur dann, wenn dieser "aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist". Da sei etwa der Fall, wenn jemand auf der Flucht seine herausnehmbare Prothese verloren habe.
Auch Gassen distanziert sich
Auf Distanz zu Merz ging auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. "Patienten müssen auf Termine warten und werden sich in Zukunft noch länger für einen Arzttermin gedulden müssen. Grund dafür sind jedoch nicht abgelehnte Asylbewerber, sondern ein chronisch unterfinanziertes Gesundheitssystem", sagte Gassen dem ZDF.
Der Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei grundsätzlich nicht mit dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar, so Gassen weiter. Dabei gehe es nur um das gesundheitliche Existenzminimum. "Rechtlich gibt es einen Unterschied in der Behandlung zwischen abgelehnten und angenommen Asylbewerbern. Doch in der Praxis ist das oft kaum zu realisieren. Kommt ein Patient mit Schmerzen in die Praxis, wird er natürlich behandelt - unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus." Es könne zudem nicht Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte sein, Leistungen zu verweigern, die über das Minimum hinausgingen.
Auch der Sozialverband VdK wies Merz' Behauptungen zurück. "Das Problem, einen Arzttermin zu bekommen, liegt nicht an der Anwesenheit der Asylbewerber, sondern an der Ungerechtigkeit des Zwei-Klassen-Systems im Gesundheitswesen", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Privat Versicherte erhalten sofort einen Termin beim Facharzt, während gesetzlich Versicherte monatelang warten müssen." Dieser "Systemfehler"sei lange bekannt, werde jedoch von der Politik ignoriert.
Kritik aus der Politik
Auch aus der Politik hatte es viel Kritik an Merz' Äußerungen gegeben. "Das ist erbärmlicher Populismus auf dem Rücken der Schwächsten. Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD", schrieb Innenministerin Faeser im Onlinedienst X (vormals Twitter). Zudem seien Merz' Behauptungen falsch: "Denn Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden."
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang äußerte sich ähnlich. Merz "spielt ganz bewusst Gruppen gegeneinander aus, verbreitet dabei Falschinformationen. So wird kein einziges Problem gelöst, aber Hass geschürt", schrieb sie auf X. Das sei eines "Vorsitzenden einer Volkspartei unwürdig".
Klare Gesetzeslage zu Leistungen bei Krankheit
Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es in Paragraf 4 zu Leistungen bei Krankheit: "Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren."
Eingeschränkt wird: "Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist."
Nach den ersten 18 Monaten des Aufenthalts (sogenannte Wartezeit) werden Asylbewerber und Geduldete von den gesetzlichen Krankenkassen betreut.