25 Jahre Wiedervereinigung Jobs, Geburten und Gewicht in Ost und West
Erinnern Sie sich noch an Helmut Kohls Versprechen von "blühenden Landschaften"? Vor 25 Jahren beschwor der damalige Kanzler die Zukunft der neuen Bundesländer. Doch was hat sich im Alltag der Menschen getan? tagesschau.de gibt anhand von fünf Beispielen einen Überblick.
25 Jahre nach der deutschen Einheit zieht das Statistische Bundesamt Bilanz. Die Zahlen zeigen einen Strukturwandel im Osten Deutschlands. Die Lebensbedingungen in den neuen Bundesländern haben sich zunehmend an den Westen angeglichen.
Weniger Geburten im Osten - zunächst
Zwischen 1990 und 1994 schrumpfte die Zahl der Geburten im Osten auf weniger als die Hälfte: Von 163.000 auf 71.000. Statistisch kamen in Ostdeutschland 1994 nur noch 0,77 Kinder pro Frau zur Welt. Und das, obwohl die Geburtenrate dort zuvor deutlich höher gewesen war als im Westen.
Danach nahm die Zahl der Neugeborenen wieder leicht zu. Seit 2000 kamen in den ostdeutschen Bundesländern pro Jahr rund 100.000 Kinder auf die Welt. In Westdeutschland nehmen die Geburten seit 1998 kontinuierlich ab.
Bei der Lebensführung fallen die Unterschiede mittlerweile geringer aus: So waren Frauen aus dem Osten in den Wendejahren im Durchschnitt rund 23 Jahre alt, als sie ihr erstes Kind bekamen. Im Westen bekamen Frauen ihren ersten Nachwuchs vier Jahre später. 2013 dagegen waren die ostdeutschen Frauen bei der ersten Geburt mit 28,1 Jahren fast genauso alt wie westdeutsche Frauen mit 29,5 Jahren.
Einen Unterschied zeigt das Statistische Bundesamt bei den Familienverhältnissen: So ist die Zahl außerehelich geborener Kinder im Osten heute wesentlich höher. Während in Baden-Württemberg nur knapp jedes vierte Kind ohne Ehe der Eltern geboren wird, sind es in Sachsen-Anhalt mehr als die Hälfte.
Der Osten wird schneller alt
1991 war in fast allen Bundesländern mehr als die Hälfte der Bevölkerung jünger als 40 Jahre. Bis Ende 2013 hat sich das umgekehrt: Mehr als die Hälfte war älter als 40. Im Saarland und in den ostdeutschen Bundesländern sind es vergleichsweise viele ältere.
Das zeigt: Der demografische Wandel schreitet besonders im Osten voran. Grund dafür ist der drastische Geburtenrückgang nach der Wende und eine starke Abwanderung vor allem junger Menschen. Der Anteil an Senioren in Ostdeutschland ist seit der Wiedervereinigung doppelt so stark gestiegen wie in den westlichen Flächenländern. In Sachsen und Sachsen-Anhalt stellt die Altersgruppe 65 plus heute fast ein Viertel der Bevölkerung.
In der DDR übrigens waren Rentner oftmals wichtige Arbeitskräfte. Besonders in den Sommermonaten wurde in der Landwirtschaft jede helfende Hand gebraucht. Außerdem war das Engagement der Rentner eine feste Größe beim Ehrenamt.
Mehr Arbeit in Teilzeit
Die meisten Teilzeitbeschäftigten in Deutschland sind Frauen. Von 1991 bis 2013 ist die Zahl weiter angestiegen. Die Quote stieg bei Frauen im Osten bis 2013 auf 39 Prozent, im Westen auf 50 Prozent. Die Teilzeitquote ist seit der Wiedervereinigung sowohl in West- als auch in Ostdeutschland angestiegen. Nach wie vor ist sie in den alten Ländern höher als in Ostdeutschland, wo Frauen traditionell Vollzeit erwerbstätig sind.
In der alten Bundesrepublik wurden die Frauen vor allem Hausfrauen und Mütter. Schon junge Mädchen wurden auf diese Rolle vorbereitet. Die Frau kümmerte sich um die Kinder, konnte sich kaum finanziell absichern. Wollte der Mann nicht, dass die Frau arbeitete, konnte er es ihr verbieten.
Auch in der DDR war der Alltag der Frau vorgegeben: Beruf, Haushalt und Kinder. Aus politischen, wirtschaftlichen und demografischen Gründen wurde die Gleichberechtigung der Frauen in der DDR in der Verfassung festgeschrieben. Das war die Grundlage für ihre Einbeziehung in den Arbeitsprozess und ihre berufliche Qualifizierung.
Mit sozialen Maßnahmen wie Babyjahr, Ehe-Kredit oder der Krankengeldzahlung bei Erkrankung eines Kindes sollte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert und die Geburtenrate erhöht werden. Während 1950 knapp die Hälfte der Frauen in der DDR berufstätig oder in einer Ausbildung waren, belief sich ihr Anteil 1989 auf mehr als 90 Prozent. "Nur-Hausfrauen", wie es im Westen verbreitet war, gab es kaum. Allerdings: Hohe politische Positionen blieben vor allem Männern vorbehalten.
Egal, ob Ost oder West - zu fett
Zu viel Zucker, Salz und Fette - das attestieren Mediziner jedem zweiten Bundesbürger. Mehr als 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hatte 2013, ausgehend vom Body-Mass-Index, Übergewicht.
In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt ist rund ein Fünftel aller Erwachsenen stark übergewichtig. Auch in anderen ostdeutschen Flächenländern sowie in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland lag deren Anteil über dem Bundesdurchschnitt. Im Vergleich zum Jahr 1999 ist der Anteil Übergewichtiger deutschlandweit um rund ein Drittel angestiegen.
Schon in der DDR versuchte man, gegen die Fettsucht der Genossen vorzugehen. Doch die Bürger waren nicht alle kalorienbewusst. 40 Prozent der Frauen, 20 Prozent der Männer und sogar schon 15 Prozent der Kinder brachten in den Siebzigern erhebliches Übergewicht auf die Waage, wie es in einem alten Zeitungsartikel steht. Darin heißt es, DDR-Bürger verbrauchten im Schnitt 35 Kilo Zucker mehr als erforderlich.
Um dem zu begegnen, hatten Wissenschaftler alten Medienberichten zufolge ausgerechnet, was zu tun ist, um überflüssige Pfunde wieder loszuwerden: Für ein Bonbon mussten dreißig Minuten Hemden gebügelt werden. Zudem soll es in der DDR einmal eine Bockwurst-Wodka-Diät gegeben haben...
Raucher im Zigarettenrausch
24,5 Prozent der Menschen ab 15 Jahren raucht regelmäßig oder gelegentlich. Auffällig: Der Anteil der Raucher von 15 bis 25 Jahre ist wesentlich höher als der Anteil der Senioren ab 65 Jahren. In den fünf ostdeutschen Flächenländern rauchen besonders viele junge Leute.
Seit der Wiedervereinigung sank die Zahl der Zigarettenverkäufe insgesamt jedoch kontinuierlich: 2014 ist sie um 0,9 Prozent zurückgegangen - auf 79,5 Milliarden Stück. 1991 wurden noch annähernd doppelt so viele Zigaretten versteuert.
Übrigens: Fernsehkommissare in der DDR durften vor der Kamera nicht rauchen, wie später ein Fernsehautor in einem Interview erzählte. Begründung: Vor der Kamera sollten sie ordentlich und gepflegt wirken.