Debatte über Organspenden Zustimmung oder Widerspruch?
CDU, SPD und Grüne begrüßen den Vorstoß von Gesundheitsminister Spahn, bei Organspenden eine Widerspruchslösung einzuführen. Kritik kommt von der katholischen Kirche und dem Deutschen Ethikrat.
Bundeskanzlerin Angela Merkel befürwortet angesichts niedriger Organspendezahlen in Deutschland eine grundlegende Debatte über mögliche Neuregelungen des Entscheidungsverfahrens. Sie finde es richtig, dass eine solche Debatte im Bundestag geführt werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Daran werde sich Merkel mit Interesse beteiligen, fügte er hinzu, ohne Angaben zur Position der Kanzlerin zu machen. Er verwies darauf, dass Merkel mehrfach für Organspenden geworben und niedrige Zahlen beklagt habe.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte sich zuvor für eine Neuregelung ausgesprochen - eine doppelte Widerspruchslösung. Demnach würde zunächst jeder als Organspender gelten, es sei denn, er oder Angehörige widersprechen. Bisher ist die Entnahme von Organen nur mit ausdrücklicher Zustimmung möglich.
"Medizinische Tragödie"
SPD-Vize-Fraktionschef Karl Lauterbach begrüßte den Vorstoß von Spahn für eine Widerspruchslösung. "Ich bin ein klarer Befürworter der Widerspruchslösung", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post". Es sei eine Schande, dass zurzeit so viele Menschen unnötig litten, weil keine Organe für sie vorhanden seien. Die niedrige Zahl von Organspendern in Deutschland nannte der SPD-Politiker eine "medizinische Tragödie".
Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sprach sich dafür aus, dass Bürger künftig automatisch Organspender sind, wenn sie oder Angehörige nicht widersprechen. Viele Menschen seien auf Nachfrage bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden, es scheitere aber in der Praxis, etwa am Organspendeausweis, sagte Baerbock.
Bundesgesundheitsminister Spahn wirbt angesichts niedriger Spenderzahlen für die Einführung der Widerspruchslösung bei Organspenden.
Ethikrat spricht von "Organabgabepflicht"
Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, kritisierte das Plädoyer von Spahn für eine Widerspruchslösung scharf. Solch eine Regelung würde einen "fundamentalen Paradigmenwechsel" darstellen. Die bisherige Organspenderegelung habe den Charakter von Freiwilligkeit und wohltätiger Solidarität mit Schwerkranken, so der Sozialethiker. Mit der Regelung, bei der jeder Spender sein soll, solange er nicht widerspricht, müsste man von "Organabgabepflicht" statt von "Organspende" sprechen, sagte Dabrock.
"Eine solche Regelung würde den menschlichen Körper zu einem Objekt staatlicher Sozialpflichtigkeit machen", so Dabrock. In diesem allerhöchst persönlichen Bereich eine Aussagepflicht zu verlangen, widerspreche dem Geist, mit dem Gesetzgeber und Gerichte bisher die Verfassung ausgelegt hätten.
"Akt von hohem moralischem Wert"
Die katholische Kirche lehnt die vorgeschlagene Widerspruchslösung ebenfalls ab. Aus ihrer Sicht gebe es erhebliche ethische Bedenken bei der Widerspruchlösung, teilte die Deutsche Bischofskonferenz mit. Prinzipiell befürworte die Kirche Maßnahmen, die die Bereitschaft zur Organspende erhöhen sollen. Allerdings solle eine Grundsatzdebatte über die Systemfrage einschließlich der Widerspruchslösung nicht an erster Stelle stehen, hieß es weiter. Außerdem zeige die Erkenntnis aus anderen Ländern, dass allein die Umstellung auf die Widerspruchslösung nicht zu mehr Organtransplantationen führe.
Insgesamt werte die katholische Kirche die Organspende positiv, erklärte die Bischofskonferenz weiter. Sie sehe in der Organspende "einen Akt von hohem moralischen Wert und eine besondere Form des Zeugnisses der Nächstenliebe über den Tod hinaus". Die bestehende Regelung der Entscheidungslösung gewährleiste eine freie und informierte Entscheidung und respektiere das Selbstbestimmungsrecht. Diese Regelung könne auf Verbesserungen hin überprüft werden.